Härtere Gesetze gegen Mord an Frauen, sexuelle Gewalt und Drohungen
Italien verschärft Strafe für Femizide

Die Regierung von ­Giorgia Meloni hat in Italien ein neues Gesetz verabschiedet: lebenslange Haft für Täter von ­Femiziden. Wird Meloni von der Faschistin zur Feministin?

FÜREINANDER DA: Demo gegen Gewalt an Frauen in Rom. (Foto: Keystone)

113 Frauen wurden letztes Jahr in Italien ermordet. Der Grund für ihren Tod: ihr Geschlecht. Wird eine Frau von ihrem Ehemann, Lebensgefährten, Ex-Partner, Bruder oder Sohn getötet, nennt man dies einen Femizid. Nicht nur Italien hat ein massives Problem damit, sondern es ist ein internationales. In der Schweiz kam es im Jahr 2024 zu 20 Femi­ziden. In Deutschland wurde im gleichen Jahr täglich eine Frau getötet.

Das Problem mit den Femiziden hat Italiens Regierung unter Neofaschistin Giorgia Meloni erkannt. Am 8. März, dem Weltfrauentag, kommunizierte die Regierung den neuen Gesetzesentwurf für Haftstrafen bei Femiziden. Der Entwurf muss noch vom Parlament und den beiden Kammern bewilligt werden. Im revidierten Gesetz sollen Femizide als eigener Straftatbestand gelten und grundsätzlich mit einer lebenslangen Freiheitsstrafe bestraft werden. Auch weitere Verschärfungen der Strafen sieht das Gesetz bei sexueller Gewalt, Drohungen oder Hassbotschaften vor. Sehr fortschrittlich und feministisch von Meloni? Jein, nicht ganz. Denn mit Femiziden wie jenem von Studentin Giulia Cecchettin (work berichtete), der grosse Demonstrationen auslöste, scheint ­Meloni unter Druck zu stehen.

Wo fängt Gewalt an?

UNTER DRUCK: Giorgia Meloni.
(Foto: Keystone)

Die italienische Linke, unter der Leitung von Parteichefin Elly Schlein, zeigt sich kritisch zum neuen Gesetzesentwurf. Sie sind nicht fundamental dagegen, doch das Gesetz allein reiche nicht. Es brauche einen Kulturwandel beim Umgang der Geschlechter in Italien. Und mehr Präventionsarbeit – noch lange bevor es zu Eskalationen wie Gewalt oder sogar Mord kommt. Denn Femizide sind nur die Spitze der sogenannten Gewaltpyramide. Sie beginnt mit sexistischem Humor, dem Abwerten der Frau und baut sich auf mit Annäherungen oder Berührungen ohne Zustimmung, denen Missbrauch und Vergewaltigungen folgen, bis es dann zum Femizid kommt.

Die Schweizer Kriminologin Nora Markwalder sagte es in einem work-Interview kürzlich so: «Bis es zur tödlichen Gewalt kommt, gehen oftmals jahrelange Beziehungskrisen voraus und hat bereits häusliche Gewalt stattgefunden» (das ganze Interview hier).

Femizid als Tatbestand

Das neue Gesetz in Italien würde Femizide neu als Tatbestand werten. Bedeutet: Ein Femizid wäre eine tatsächliche Voraussetzung für eine rechtliche Konsequenz. In Europa sind es erst wenige Länder, die bei Mordfällen diesen Tatbestand berücksichtigen, darunter Zypern, Malta und Kroatien. In Belgien gilt seit 2023 ein Gesetz, welches das Monitoring und die Prävention von Femiziden festlegt. Spanien hingegen erfasst bereits seit 2007 die Daten zu geschlechterspezifischer Gewalt. Seit dem gleichen Jahr hat Spanien zudem die Rechte und den Schutz von betroffenen Frauen gestärkt. Spanien als Vorreiterin, die Schweiz dagegen noch in den Kinderschuhen.

Zu wenig Frauenhäuser

Das Eidgenössische Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann (EBG) informiert auf seiner Website über das Ausmass und die Rechtslage beim Thema Gewalt gegen Frauen. Der Begriff Femizid wird im Schweizer Recht bislang nicht offiziell verwendet. Wann spricht man von Gewalt? Das EBG definiert: «Als Gewalt gegen Frauen und Mädchen gelten gemäss Istanbul-Konvention alle Handlungen, die zu körperlichen, psychischen, sexuellen oder wirtschaftlichen Schäden oder Leiden bei den Betroffenen führen oder führen können.» Dazu zählen:

  • körperliche Gewalt (einschliesslich Tötungsdelikten)
  • psychische Gewalt
  • sexuelle Gewalt
  • wirtschaftliche Gewalt
  • Stalking
  • Zwangsheirat
  • Genitalverstümmelung
  • Zwangsarbeit
  • sexuelle Belästigung

2017 unterzeichnete die Schweiz das Übereinkommen des Europarates gegen Gewalt an Frauen und häusliche Gewalt, die ­sogenannte Istanbul-Konvention. Doch die Schweiz hält sich nur bedingt daran: Beispielsweise sind in der Schweiz 77 Prozent zu wenig Zimmer in Frauenhäusern vorhanden. Die Dachorganisation der Frauenhäuser Schweiz und Liechtenstein, Brava und viele weitere Organisationen fordern seit Jahren einen Ausbau der Präventionsarbeit und der Schutzplätze für Frauen in der Schweiz.

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