Die Chronologie des Versagens
Mega-Gewinn nach Mega-Abbau: Für Migros zählt nur der Zaster

Dieses Jahr feiert die Migros ihr 100jähriges Bestehen und einen Rekordgewinn. Doch statt zu feiern, zerfällt der grösste Detailhändler der Schweiz seit über einem Jahr und entlässt Hunderte Angestellte. work hat die Übersicht zum Abbauprojekt.

LÄSST SICH FEIERN: Migros-Chef Mario Irminger verkündet heute einen Rekordgewinn. Den Preis dafür zahlen die Mitarbeitenden. (Foto: Keystone)

419 Millionen Franken. Die Migros verdoppelt für das Geschäftsjahr 2024 ihren Gewinn. Ein Rekordgewinn zu einem hohen Preis, denn ohne Verlierer gibt es bekanntlich keine Gewinner. Und die Verlierer sind beim orangen Riesen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Nicht nur werden sie krank bei ihrer Arbeit (work berichtete), sondern auch zu Hunderten entlassen.

Trotz Megaabbau arbeitet die Migros strikt nicht mit der Gewerkschaft Unia zusammen. Jetzt fordert die Gewerkschaft: Besseren Gesundheitsschutz, keine weiteren Entlassungen, Lohnerhöhungen, faire Arbeitszeiten und mehr Mitbestimmung. Leena Schmitter, Co-Branchenverantwortliche Detailhandel der Unia, sagt:

Die Stimmung in den Teams ist angespannt, viele fühlen sich nicht wertschätzend behandelt. Die Kluft zwischen Image und Wirklichkeit wird bei der Migros immer grösser.

Die Migros-Misere im Überblick

Hier die wichtigsten Abbau-Momente in umgekehrter Reihenfolge: 

  • Grosser Knall im Februar 2025: 31 «Do it + Garden»-Baumärkte schliessen bis spätestens Ende Juni 2025 ihre Tore. Damit werden 31 von 45 Filialen geschlossen. Betroffen von den Schliessungen sind 466 Mitarbeitende. Zu wie vielen Entlassungen es konkret kommt, teilt Migros nicht mit. 
NICHT MEHR ERWÜNSCHT: Migros schliesst diesen Sommer die Baumärkte Do it + Garden. Betroffen sind 466 Mitarbeitende.  (Foto: Keystone)
  • Auch das Migros-Möbelgeschäft Micasa gehört nicht mehr zur Migros-Familie. Der aktuelle CEO von Micasa übernimmt 30 Micasa-Filialen. Zwar werden keine Mitarbeitenden entlassen, doch mit dem Wegfall der Geschäftsbereiche Micasa und Do it sind 159 Stellen bei der Migros in Gefahr. 
  • Das Migros-Reisebüro Hotelplan wird vom deutschen Reiseveranstalter Dertour gekauft. Die rund 2500 Mitarbeitenden behalten ihre Stellen.
  • Die Zukunft der Biosupermärkte Alnatura bleibt hingegen ungewiss. Im Februar hat die Migros Genossenschaft Zürich die Partnerschaft mit den Alnatura-Märkten gekündigt. In der Schweiz gibt es 25 Filialen, die jetzt auf der Suche nach neuen Käufern sind.
  • Seit 25 Jahren gehörten die OBI-Filialen in der Schweiz zum Migros-Konzern. Im Januar kommuniziert die deutsche OBI-Gruppe, sämtliche Schweizer Filialen zu übernehmen. Dazu zwei grosse Filialen von Do it + Garden. Die 576 Mitarbeitenden und 61 Lernenden werden weiterbeschäftigt.
  • Im gleichen Monat kommuniziert Onlinehändler und Migros-Tochter Galaxus einen Rekordumsatz von 3,23 Milliarden Franken für das vergangene Jahr. Das ist ein Anstieg von 18 Prozent innerhalb eines Jahres.
  • Auch die Zukunft der Migros-Restaurants scheint ungewiss. Allein 2025 wurden vier grosse Migros-Restaurants in der Agglomeration Bern geschlossen – konkret die Standorte Belp, Bethlehem, Freudenberg und Wankdorf. Nicht nur für die Büezerinnen und Büezer ein herber Schlag, sondern auch für Rentnerinnen und Rentner.
  • Erst seit 2022 ist die Zahnmedizin-Kette Bestsmile eine Tochterfirma der Migros. Im Oktober 2024 gibt die Detailhändlerin das Zahngeschäft schon wieder auf. Für Bestsmile bedeutet das: Schliessung aller Filialen, Entlassung aller Mitarbeitenden und die Liquidation. 
  • Im Januar 2024 kommuniziert die Migros erste Details zu ihren Abbauplänen. Gesamthaft werden 1500 Stellen abgebaut. Die Übersicht, was im Migros-Konzern von Januar bis Juli 2024 geschehen ist, hat work hier zusammengestellt.

Grosses Fest – aber nicht für alle

Der Megaabbau erfolgt just im grossen Migros-Jubi-Jahr. Die Detailhändlerin feiert dieses Jahr ihren 100. Geburtstag. Dafür trägt der orange Riese dick auf: Es soll ein grosses Fest für 80 ’000 Mitarbeitende werden. Aber nicht ganz für alle. So hat Migros die Büezerinnen und Büezer von Micasa erst auf das grosse Fest eingeladen. Und kurz darauf wieder ausgeladen. Der Grund:

Das Migros-Fest findet am 1. und 2. September auf dem Flugplatz Mollis GL statt. Die Filialen von Micasa sind aber genau ab dem 1. September nicht mehr in den Händen der Migros.

Nur wer am 1. September bei der Migros angestellt ist, darf auch mitfeiern. Die Enttäuschung ist gross, gerade bei langjährigen Mitarbeitenden. Dasselbe blüht auch den ehemaligen Büezerinnen und Büezern von SportX, Melectronics, den «Do it»-Baumärkten und weiteren verkauften Fachgeschäften. Dabei bewirbt die Migros ihr 100jähriges Bestehen mit dem Wort «Merci». Merci also nur jenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die mit etwas Glück bisher keine Kündigung im Briefkasten haben.

Was wohl Dutti dazu sagen würde? Zum 25.  Migros-Geburtstag machte er es anders. Im Sommer 1950 reisten die Mitarbeitenden aus der ganzen Schweiz mit Bahn und Schiff in Duttis Heimat Rüschlikon ZH. Im hauseigenen Park wurde ein grosses Fest für die Mitarbeitenden auf die Beine gestellt, über 3000 feierten gemeinsam mit dem Migros-Gründer. Damals zählte die Migros knapp über 4500 Mitarbeitende. Diese reisten auch deshalb so zahlreich ans Fest, weil Dutti angeordnet hatte, alle Läden zu schliessen. Weil er mit allen Angestellten feiern wollte. So eine Aktion ist heute undenkbar.

SRF-Film: Unmögliche Gewerkschaftsarbeit

Der grösste Schweizer Detailhändler befindet sich im grössten Abbauprojekt seines Bestehens. Doch er arbeitet nicht mit der grössten Gewerkschaft der Schweiz zusammen – der Unia. Wie schwierig es für Gewerkschaftssekretäre ist, mit den Mitarbeitenden sowie dem Führungspersonal der Migros ins Gespräch zu kommen, zeigt die neue Dokumentation «Das System Migros – wie es zum grossen Abbau kam» aus dem Hause SRF. Dabei kommt auch Unia-Mann Roman Künzler zu Wort: 

Unsere Hauptkritik: Angestellte aus den Fachmärkten bekommen ein Jobangebot für die Supermärkte. Nehmen sie dieses Angebot nicht an, war’s das mit dem Sozialplan.

Befragte Büezerinnen und Büezer zeigen sich besorgt und die Migros-Kundschaft empört und hässig. Ein eindrücklicher Film über das System hinter dem orangen Riesen. Zu sehen unter diesem Link.

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