Wir erinnern uns: Im Zuge der russischen Invasion in die Ukraine kam es an den Energiemärkten zu grossen Verwerfungen. Die Strompreise ­stiegen danach in den meisten europäischen Ländern quasi über Nacht sprunghaft an, teilweise kam es zu Verfünffachungen! Doch in der Schweiz blieben die Preise für Kleinkundinnen und -kunden zunächst ­stabil. Das hat damit zu tun, dass wir hier für Haushalte und KMU immer noch eine geschützte Grundversorgung kennen – mit regulierten Preisen, die nur einmal jährlich angepasst werden dürfen.

Tiefes Niveau

Natürlich ist auch die Schweiz nicht immun gegen Preisschwankungen an den internationalen Märkten: Die Haushalte bekamen dies mit den Tariferhöhungen der letzten beiden Jahre schmerzhaft zu spüren. Allerdings war der Preisanstieg erstens ­geglättet und nicht sprunghaft, und zweitens ist das Preisniveau für Kleinkundinnen und -kunden in der Schweiz im relevanten europäischen Quervergleich auch heute sehr tief, wie die Grafik zeigt. Besser schneiden nur Dänemark und Österreich ab. Und dies hauptsächlich deshalb, weil diese beiden Länder schon seit ­Jahren viel stärker auf erneuerbare Energien setzen: Zwar kostet der Bau von Windrädern zunächst etwas, doch der Wind weht danach gratis.

Tief sind die Preise in der Schweiz vor allem deshalb, weil fast zwei Drittel des an Schweizer Steckdosen gelieferten Stroms aus einheimischer Wasserkraft stammen (dank den öffentlichen Investitionen unserer Vorväter und -mütter). Und – ganz wichtig – weil dieser Strom in der Grundversorgung nur zu Produktionskosten verkauft werden darf. Und eben nicht zu Marktpreisen, die plötzlich sprunghaft ansteigen können, wie wir gesehen haben.

Investitionen

Damit dieses Regime weiterhin Bestand hat, braucht es zweierlei: eine vernünftige Preis­regulierung und Planbarkeit für die ­nötigen massiven Investitionen in den Zubau erneuerbarer Energien. Beides gibt es nur, wenn die Energieversorgung weiterhin als Service public ­organisiert bleibt. Doch im Rahmen des mit der EU verhandelten Strom­abkommens droht leider das Gegenteil: eine komplette Marktöffnung und die Abschaffung der Grundversorgung, wie wir sie heute kennen.

Reto Wyss ist Ökonom beim Schweize­rischen Gewerkschaftsbund (SGB).

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