Kolumne EUropa
Wahlen in Rumänien: Der rechtsradikale Tiktok-Star

Roland Erne war Chemielaborant und GBI-Jugendsekretär. Seit 2017 ist er Professor für Europäische Integration und Arbeitsbeziehungen am University College Dublin. (Montage: work)

Liberale Demokratien stehen unter Druck wie seit langem nicht mehr. So auch in Rumänien. Ende 2024 gewann Ultranationalist Călin Georgescu mit 23 Prozent der Stimmen den ersten Wahlgang der Präsidentschaftswahlen. Doch das rumänische Verfassungsgericht annullierte die Wahl. Jetzt wird am 4. Mai 2025 in Rumänien erneut gewählt.

Wahlmanipulation

Das Gericht ordnete die Wahlwiederholung an, da Georgescu die Herkunft seiner Wahlkampfmittel verheimlichte und von groben Manipulationen aus dem Ausland profitierte. Und zwar via Social Media. Vor dem Wahlkampf hatte Georgescu nur 100 Follower auf Tiktok. Dann avancierte er plötzlich zur weltweit neuntbekannteste Tiktok-Person. Inzwischen hat das Verfassungsgericht Georgescu von der Wiederholungswahl ausgeschlossen. Trotz lautstarken Protesten von X- und Tesla-Boss Elon Musk, US-Vizepräsident J. D. Vance sowie dem russischen Präsidenten Wladimir Putin.

Hitlergruss

Georgescu musste zugeben, dass er die Wahlbehörde angelogen hatte. Zudem läuft ein Strafverfahren gegen ihn wegen Beteiligung an einem Plan, die verfassungsmässige Ordnung Rumäniens mit Hilfe faschistischer Gruppen umzustürzen. An seiner Gerichtvernehmung verneinte Georgescu dies, was ihn aber nicht daran hinderte, gleich nach der Vernehmung seine Unterstützer mit dem Hitlergruss zu grüssen.

Die rumänischen Rechtsradikalen werden am 4. Mai mit einem anderen Kandidaten antreten. Es zeichnet sich ein knappes Rennen gegen Crin Antonescu ab. Er ist der gemeinsame Kandidat der Sozialdemokraten, Christdemokraten und der ethnischen Minderheiten. Auch wenn sich diese «proeuropäi­sche» Koalition durchsetzen sollte, bleibt eine Frage offen: Wieso sind die rumänischen Rechtsradikalen derzeit so erfolgreich?

Diaspora

Die mit Abstand besten Wahlresultate erreichten die rumänischen Rechtsradikalen in der Diaspora. In Deutschland stimmten fast 58 Prozent aller Auslandrumäninnen und -rumänen für Georgescu. Dagegen ­gewann der sozialdemokratische Präsidentschaftskandidat und Ministerpräsident Marcel Ciolacu in Westeuropa weniger als 2 Prozent der Stimmen. Ein Grund für diesen Rechtsrutsch: In den letzten Jahren konnten die Sozialdemokraten zwar drastische Lohnkürzungen rückgängig machen, die die neoliberalen Regierungen in der Finanzkrise von 2008 durchgesetzt hatten. Doch davon profitierten die im Ausland lebenden Rumäninnen und Rumänen kaum.

Zudem machen die meisten rumänischen Büezerinnen und Büezer in Westeuropa kaum positive Erfahrungen der sozialen und demokratischen Teilhabe. Dies könnte auch erklären, wieso in Deutschland fast doppelt so viele von ihnen rechtsradikal wählten als in der Schweiz. Dank der flankierenden Massnahmen verfügen sie in der Schweiz über effektivere Hebel, um ihren Anspruch auf gleichen Lohn für gleiche Arbeit durchsetzen zu können.

Roland Erne schreibt hier im Turnus mit Regula Rytz, was die europäische Politik bewegt.

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