Gleichstellung
Weniger arbeiten für mehr Lohngleichheit

Frauen arbeiten zu viel, für zu wenig Lohn. Deshalb braucht es eine Verkürzung der Arbeitszeit und endlich eine echte Revision des Gleichstellungsgesetzes. Unia-Gleichstellungssekretärin Aude Spang erklärt.

UNIA-GLEICHSTELLUNGSSEKRETÄRIN AUDE SPANG: «40 Stunden und mehr pro Woche sind zu viel.» (Foto: Olivier Vogelsang)

work: Insbesondere Frauen würden von einer Verkürzung der Arbeitszeit profitieren. Wieso?
Aude Spang: Das Thema wird seit 2019 von der feministischen Streikbewegung vorangetrieben. In der Schweiz wird im Vergleich zum Rest Europas generell viel zu viel gearbeitet, und das gilt insbesondere für Frauen. Sie leisten immer noch zwei Drittel der Care-Arbeit, also der unbezahlten Pflege-, Betreuungs- und Erziehungsarbeit. Von 50 Stunden, die Frauen in der Woche arbeiten, werden ihnen 30 Stunden nicht bezahlt. Es besteht ein grosses Ungleichgewicht. Die Herausforderung einer Arbeitszeitreduktion ohne Lohnverlust würde mehr Zeit zum Leben, zur Selbstfürsorge und zur Erholung ermöglichen, also eine bessere Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben. Aber auch ein besseres Gleichgewicht für Paare, weil sie sich die unbezahlte Arbeit besser aufteilen könnten.

Wie lässt sich eine Verkürzung der Arbeitszeit konkret umsetzen?
Wir handeln auf zwei Ebenen: Zum einen über die Vertragsverhandlungen, und in vielen Gesamtarbeitsverträgen (GAV) ist die Verkürzung der Arbeitszeit Teil des Forderungskatalogs. Im Baugewerbe und bei den Gerüstbauern konnten wir einige Fortschritte erzielen. Auch in den Holzberufen gibt es Bewegung. Darüber hinaus üben wir auf politischer Ebene und in den Medien Druck aus, insbesondere durch unser Manifest «Mehr Zeit zum Leben».

AUDE SPANG: Will neue Standards für Arbeitszeiten setzen. (Foto: work)

Und welche Modelle stehen zur Diskussion?
Ein einheitliches, für die ganze Schweiz geltendes Modell kommt nicht in Frage. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten zur Arbeitszeitverkürzung, wobei die zweckmässigsten je nach den Bedürfnissen der Branchen evaluiert werden müssen. Dazu gehören neben der wöchentlichen Arbeitszeitverkürzung die Einführung von Frühpensionierungen, die Verbesserung des Mutterschafts- und Vaterschaftsurlaubs, die Einführung eines Elternurlaubs, das Recht auf eine Reduktion des Beschäftigungsgrades und auf Weiterbildungszeiten, mehr bezahlte Ferien und Feiertage, die Viertagewoche, bezahlte Pausen, die Abschaffung fragmentierter Arbeitszeiten usw. Fest steht, dass 40 Stunden und mehr pro Woche zu viel sind! Mit der Kampagne für eine Reduktion der Arbeitszeit wollen wir einen neuen Standard für Arbeitszeiten setzen. Genauer gesagt, streben wir eine kürzere Vollzeitbeschäftigung an. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollen mehr Zeit haben.

Das würde sich auch positiv auf die Löhne der Frauen auswirken. 
Genau. Denn über ein gesamtes Erwerbsleben gerechnet, verdienen Frauen über 43 Prozent weniger als Männer. Das ist der «Gender Overall Earnings Gap». Diese Zahl erfasst alle Arbeitnehmenden unter Berücksichtigung der Arbeitspensen. Und sie ist deshalb so hoch, weil zwei Drittel der Frauen Teilzeit arbeiten, um unbezahlte Care-Arbeit zu leisten.
 
Frauen verdienen noch immer 1453 Franken weniger pro Monat als Männer. Eben ist der Zwischenbericht zu den Lohnanalysen erschienen. Er bestätigt: die Revision ist ungenügend. Inwiefern?
Der Bericht bestätig, was wir seit der Revision des Gleichstellungsgesetzes 2020 schon immer gesagt haben: Sie ist ungenügend! Im Gesetz steht, dass Unternehmen mit mehr als 100 Mitarbeitenden Lohnanalysen durchführen müssen. Doch der Bericht zeigt jetzt: Ein Fünftel der Unternehmen hat die Analysen gar nicht erst durchgeführt, ein Drittel hat die Analysen nicht überprüfen lassen, wie es das Gesetz vorschreibt, und die Hälfte der Unternehmen hat die Resultate nicht veröffentlicht. Die Revision des Gesetzes hat die diskriminierenden Einkommensunterschiede kaum eingedämmt, zudem halten sich die Unternehmen nicht an das ohnehin schon zahnlose Gesetz. Das ist skandalös! Deshalb fordert die Unia als Teil der Koalition gegen Lohndiskriminierung:

  • Alle Unternehmen, unabhängig von ihrer Grösse, sollten regelmässig Lohnanalysen durchführen müssen.
  • Es braucht staatliche Kontrollen und wirksame Sanktionen für Betriebe, die bei der Lohndiskriminierung untätig sind.
  • Die Resultate der Analyse müssen transparent kommuniziert werden.

 *Das Interview geführt hat Manon Tedesco, es erschien zuerst in der französischsprachigen Unia-Zeitung «L’Evénement syndical» und wird hier in einer leicht abgeänderten Version publiziert.

Frauentag-Agenda: Das läuft am 8. März

ZÜRICH 

Workshop: Was tun gegen ­sexuelle Belästigung? Am 6. März ab 18.30 Uhr bei der Unia Zürich. Anmeldungen über diesen Link.

Demonstration zum «feministischen Kampftag» am 8. März ab 13.30, Treffpunkt Paradeplatz.

BASEL 

Unia-Stand zur Arbeitzeit­verkürzung von 10.00 bis 16.30 Uhr mit Malaktion für Kinder am Barfüsserplatz.

Demonstration zum ­«antipatriarchalen Kampftag» ab 17.00 Uhr, Treffpunkt ­Barfüsserplatz.

BERN 

Unia-Stand zur Arbeitzeit­verkürzung von 10.00 bis 13.00 Uhr auf dem ­Bärenplatz. Ab 14.00 Uhr ­Demonstration, Treffpunkt Schützenmatte.

THUN

Unia-Stand vor dem Coop Bälliz zum Thema Arbeitszeit und Arbeitszeitverkürzung.

BADEN 

Feministische Soliparty ab 21.45 Uhr im Royal Baden unter dem Motto «Marie isch STEIHÄSSIG».

WINTERTHUR 

Demonstration zum «feministischen Kampftag» am 7. März ab 19.00 Uhr, ­Treffpunkt Oberer Graben.

Weitere Aktionen finden in Delémont, Lausanne, ­Lugano, Neuenburg, Luzern und weiteren Städten statt. Alle Unia-Veranstaltungen rund um den 8. März finden Sie unter diesem Link.

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