Vorarbeiter mit klarer Ansage:
«Das Wochenende und die Familie sind mir heilig!»

Überstundenmarathons, verbreitete Samstagsarbeit und extreme Reisezeiten – damit kämpfen immer mehr Bauarbeiter. Und mit ihnen ihre Familien. Vorarbeiter Daniel Santos warnt vor einem Teufelskreis.

BAUBÜEZER DANIEL SANTOS: «Heute werden die Arbeiter von ihren Buden durch die halbe Schweiz geschickt! Das führt zu extremen Reisezeiten. Von der Familie hat man da kaum mehr was.» (Foto: Severin Nowacki)

Daniel Santos ist Baubüezer durch und durch. Bereits mit 16 Jahren ist er in die Branche eingestiegen, direkt nach dem Schulabschluss. Santos kommt aus Galicien, von der rauhen Atlantikküste im spanischen Nordwesten. Eine klassische Maurerlehre gab es dort nicht. Trotzdem lernte er das Handwerk schnell – und fand auch Freude daran. Noch heute sagt der 43jährige mit Überzeugung: «Ich lie­­be meinen Job!» Und erklärt:

Es ist einfach eine tolle Arbeit, und es macht mich stolz, jeden Abend zu sehen, was wir geleistet haben.

Die harte Büez müsse aber auch anständig honoriert werden. Das sei in Spanien nicht der Fall gewesen, weshalb er im Jahr 2000 ausgewandert sei – in den Aargau, wo schon seine beiden Brüder lebten. Seither arbeiten die drei Santos alle für die gleiche Firma, die Zubler AG aus Hunzenschwil. Daniel Santos ist dort zum Vorarbeiter aufgestiegen und sagt: «Es ist eine gute Firma, und sie haben mich gern.» Über seine Arbeitsbedingungen könne er sich daher nicht beklagen. Aber wenn er die all­gemeine Entwicklung auf dem Bau anschaue, dann lösche es ihm fast ab.

Termine sind wie Beton

«Es ist langsam wirklich verrückt!» sagt Santos mit ernster Miene. «Wir bauen immer schneller, haben aber immer weniger Leute zur Verfügung.» Warum das so ist? Manchmal wollten die Unternehmen schlicht Personalkosten sparen. Aber häufig sei gerade das Gegenteil der Fall. Bloss: Gute Leute fänden die Firmen je länger, je weniger. «Wegen der Arbeitsbedingungen», ist Santos überzeugt.

Er gibt ein Beispiel: «Unsere Auftraggeber, die Bauherren, setzen völlig unrealistische Termine und drücken auf die Preise.» Die Baufirmen wiederum machten oft mit in diesem Preiskampf. Die Folge spüre zuletzt, aber dafür am härtesten das Baustellenpersonal. Santos sagt: «Die Termine sind wie Beton.» Selbst wenn das Büro die Pläne nicht pünktlich liefere. Oder wenn der Bodenaushub unerwartet Probleme mache: am Abgabetermin ändere sich eigentlich nie etwas.

Entsprechend hoch seien Druck und Stress. Womit auch das Unfallrisiko steige. Zumal manche Firmen am liebsten bei jedem Hundswetter arbeiten lassen würden. Früher habe man bei Schlechtwetter auch mal Pause machen können. Heute werde das kaum mehr ­toleriert. Und dann die Überstunden. Für viele Kollegen gehörten sie heute zum Alltag – sogar  am Samstag. Santos sagt: «Ich kenne viele Bau­arbeiter, die kaum noch einen Samstag frei haben.»

Extreme Reisezeiten

Für den Familienvater käme so was nie in Frage. Und als Unia-Mitglied sagt er ganz offen:

Mein Chef weiss haargenau: Wenn ich am Samstag arbeiten muss, dann bin ich weg!

An den Wochenenden hat Santos nämlich anderes vor. Den Samstag reserviert er ganz für seine Töchter (8 und 15), seine Frau und seine Hobbies. Dann wird zusammen gekocht und reichlich aufgetischt. Meeresfrüchte, Chorizo, Tapas … galicische Küche halt. Häufig stossen auch Freunde dazu. Und natürlich seine Brüder mit ihren Familien. «Dann kann schon mal eine ordentliche Fiesta entstehen», strahlt Santos. Sonntags geht’s dann dafür sportlich zu: wandern in den Bergen oder biken durch die Wälder des Aargaus. So oder so. Santos betont: «Das Wochenende und die Familie sind mir heilig!»

Umso besorgter beobachtet er die aktuellen Entwicklungen. Etwa die Tendenz zu immer weiter entfernten Baustellen. Santos sagt: «Heute werden die Arbeiter von ihren Buden durch die halbe Schweiz geschickt!» Das füh­­re zu extremen Reisezeiten, erst recht mit den vielen Staus. Von der Familie habe man da kaum mehr was. Da sei es nur logisch, dass sich diese Arbeit immer weniger Leute antun wollten. Was wiederum den Druck auf die bestehenden Belegschaften erhöhe. Ein Teufelskreis! Er verstehe daher nicht, warum der Baumeister­verband noch so verbissen an alten Zöpfen festhalte.

Schluss mit Gratisarbeit

Santos meint damit zum Beispiel die Reisezeit-Regelung. Zur Erinnerung: Noch immer zählt die Fahrzeit von Bude zu Baustelle gemäss Landesmantelvertrag (LMV) nicht als Arbeitszeit. Santos rechnet vor, was das in der Praxis bedeutet:

Im Sommer beträgt schon die geplante Arbeitszeit meist neun Stunden, exklusiv Pausen. Dazu kommen eine bis zwei Überstunden. Und dann noch die Reisezeit. Wenn du dann am Abend nach 13, 14 Stunden endlich zu Hause bist, kannst du direkt ins Bett!

Doch damit nicht genug. Die Reisezeit muss laut LMV nämlich erst ab der 30. Minute bezahlt werden. Wieder rechnet Santos vor: «Das ergibt 2,5 Gratisstunden pro Woche und über 100 Gratisstunden pro Jahr und Mitarbeiter!» Auch damit soll endlich Schluss sein, fordert Santos. Und mit ihm die organisierten Bauleute der Gewerkschaften Unia und Syna.

Um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen, wird auch Santos am 17. Mai an die Baudemo nach Zürich reisen. Zusammen mit seinen Brüdern – und möglichst vielen weiteren Kollegen.

Für familienfreundliche ­Arbeitszeiten und mehr Respekt!

Alle an die grosse Bau-Demo nach Zürich!
Samstag, 17. Mai, 12 Uhr, beim Central

Die Infos gibt es unter diesem Link.

«Auf den Baustellen mache ich munter Propaganda für unsere Sache», sagt Santos stolz. Und wie ist die Resonanz? «Viele haben Angst vor den Chefs», meint Santos. Doch da habe er seine Methoden. Feingefühl sei gefragt in solchen Gesprächen. Aber auch gute Argumente. Und klare Ansagen. Vorarbeiter Santos versichert:

Am Schluss sind die meisten motiviert.

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