Er hat den Chefs die Stirn geboten
Endlich ein anständiger Sozialplan: 30’000 Franken pro Person erkämpft

Das Werk schliessen und nur Brösmeli für uns? So nicht, sagten die Arbeiter und Arbeiterinnen von Faulhaber in La Chaux-de-Fonds NE. Und setzten sich geschlossen für einen besseren Sozialplan ein. Mit Erfolg.

UNIA-MITGLIED THOMAS WÜRGLER: Er hat sich mit seinen Kolleginnen und Kollegen erfolgreich für einen anständigen Sozialplan eingesetzt. (Foto: Matthias Luggen)

Es sei eine grosse Erleichterung gewesen, sagt Thomas Würgler. Der 37jährige ist einer von rund 70 Mitarbeitenden der Industriefirma Faulhaber, die wochenlang für einen Sozialplan kämpften, der diesen Namen auch verdient. Und die ihr Ziel schliesslich erreicht haben:

Der definitive Sozialplan umfasst Leistungen von insgesamt 2,2 Millionen Franken. Das sind im Schnitt mehr als 30 000 Franken pro Person.

Bis dahin war es aber ein zäher Weg. Am Anfang stand, so sagt es Unia-Mitglied Würgler, «ein riesiger Schock»: Ende November letzten Jahres teilte die Firmenleitung in La Chaux-de-Fonds den Mitarbeitenden mit, ihr Werk werde geschlossen. Die Produktion von Mikromotoren will der deutsche Konzern (siehe Box unten) bis Ende 2025 nach Ungarn verlagern.

Sozialplan? «Ein schlechter Witz!»

Und der Sozialplan, mit dem die Firma die Folgen des Kahlschlags abfedern will, ist mickrig. Für die Abgangsentschädigung soll es Punkte geben – etwa für Alter, Kinder, Jahre im Betrieb. Pro Punkt will die Firma 450 Franken springen lassen. Für einige hätte es gerade mal 900 Franken gegeben, so Würgler. Und für die grosse Mehrheit weniger als einen Monatslohn. «Ein schlechter Witz!»

Dass sich die Firma dermassen knausrig zeige, das habe die Mitarbeitenden empört, sagt Würgler. Sie holen sich Unterstützung von der Unia Neuenburg. Es gibt Versammlungen, die Mitarbeitenden tauschen sich aus. Auch mit Leuten in anderen Faulhaber-Betrieben. Und siehe da:

Auch in Deutschland baut der Konzern Stellen ab. Zahlt dort aber viel höhere Entschädigungen.

Wer freiwillig geht, erhält 1,2 Monatslöhne – pro Dienstjahr! Nach zehn Jahren im Betrieb gibt’s also einen Jahreslohn zusätzlich.

Zusammen mit der Unia arbeitet die Belegschaft jetzt einen eigenen Vorschlag für einen Sozialplan aus. Sein Kern: ein Monatslohn Entschädigung pro Dienstjahr. Doch die Firmenleitung hält an ihrem Punktesystem fest. Sie erhöht ihr Angebot ganz leicht, auf 500 Franken pro Punkt. Für Thomas Würgler und seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter ein Schlag ins Gesicht. Der sie, so sagt er, noch mehr zusammengschweisst habe. Um Druck zu machen, kündigen sie Arbeitsniederlegungen an. Würgler:

Das könnte zum Beispiel heissen, wir machen einfach mal zwei Stunden Pause.

Jetzt werden die Chefs nervös. Denn Faulhaber hat wenige Monate zuvor mehrere grosse Aufträge bekommen. Die werden nicht rechtzeitig fertig, wenn der Betrieb nur reduziert läuft. Würgler sagt:

Das wussten wir natürlich. Und sie haben gemerkt, dass wir bereit sind, ernst zu machen. Da haben sie wohl Angst bekommen.

Zückerli? Nein danke

Gleichzeitig geht der Versuch der Firmenleitung, die Leute zu spalten, in die Hose. Sie hatte 16 Mitarbeitenden eine höhere Entschädigung und eine längere Beschäftigung in Aussicht gestellt, wenn sie bei der Verlagerung nach Ungarn mithelfen. Würgler, Verkaufsleiter am Standort La Chaux-de-Fonds, war einer davon. Er grinst breit und sagt: «Alle 16 haben abgelehnt.»

Und es bringt die Wende. Endlich bringen die Chefs nicht nur einen anständigen Sozialplan. Sondern gleich drei. Die Büezerinnen und Büezer stimmen ab, welchen sie wollen. Die Variante, die sich durchsetzt:

0,7 Monatslöhne Entschädigung pro Dienstjahr. Das ist ungefähr zehnmal so viel wie im ersten Vorschlag!

Erleichtert, dass der Druck Wirkung gezeigt hat, ist auch Maria Fusco*, Arbeiterin in der Produktion. Sie hat auf Ende Juni die Kündigung bekommen. Arbeiten kann sie schon jetzt nicht mehr. Die Maschinen sind bereits abmontiert, die Mitarbeitenden freigestellt. Das tue weh, sagt sie: «Wir waren stolz auf die Motoren, die wir in La Chaux-de-Fonds hergestellt haben. Jetzt verliert die Region dieses Fachwissen.» 18 Jahre hat sie für Faulhaber gearbeitet und ist damit nicht alleine. Viele seien der Firma seit 10 oder gar 20 Jahren treu gewesen. Sie sagt:

Dank unserem Einsatz bekommen wir jetzt ein finanzielles Polster und haben Zeit, eine neue Stelle zu finden.

Solenn Ochsner von der Unia Neuenburg hat die Belegschaft begleitet und in ihrem Namen den Sozialplan ausgehandelt. Rückblickend sagt sie: «Die Entschlossenheit und Einstimmigkeit – das war eindrücklich!»

Auch sie schmerzt es, dass die Stellen und das Know-how verloren gehen. «Aber die Leute von Faulhaber haben gezeigt: Mit Kampfgeist und Geschlossenheit lässt sich viel erreichen.»

*Name geändert

Faulhaber-Mikromotoren: Im All und im Krieg

Mehr als 2000 Mitarbeitende, verteilt auf Tochterfirmen in 13 Ländern: das ist der Industriekonzern Faulhaber. Er produziert Mini- und ­Mikromotoren, die kleinsten sind wenige Millimeter gross. Die meisten kommen in ­medizinischen Geräten zum Einsatz. Etwa in solchen, die PCR-Tests analysieren, wie sie in der Coronapandemie zum Alltag gehörten.

Den Hauptsitz hat das Unternehmen in Deutschland. In der Schweiz gibt es künftig noch drei Werke: Bioggio TI, Croglio TI und Grenchen SO.

2018 kamen Faulhaber-Motoren sogar auf dem Mars zum Einsatz. In einem Messgerät, das feinste Erschütterungen feststellte – keine Erd-, sondern Marsbeben. Für ­unrühmliche Schlagzeilen sorgten die Motoren 2020. Im Krieg um Berg-Karabach zwischen ­Armenien und Aserbaidschan wurden die Winzlinge (mit der Gravur «Swiss Made») in einer israelischen Kampfdrohne entdeckt, die offenbar von Aserbaidschan eingesetzt wurde. Es zeigte sich: Der Export nach Israel ist laut Schweizer Gesetz legal. Die WOZ kritisierte:

Unternehmen wie die Faulhaber profitieren von der lockeren Auslegung der Güterkontroll-Listen.

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