Erfolg der Unia
Faule Tricks von Migros und Kanton Zürich: Gericht schützt den freien Sonntag 

Das Arbeitsgesetz schützt die Arbeitenden vor ungerechtfertigter Sonntagsarbeit. Der Kanton Zürich schützt systematisch die Profitinteressen der Grossverteiler. Die Unia leistet Widerstand – und bekommt recht.

DEFINITIV NICHT IM BAHNHOF: Die Migros-Daily-Filiale an der Zürcher Zollstrasse. (Foto: Unia)

Der Hauptbahnhof Zürich ist ein Einkaufscenter mit Gleisanschluss: Auf über einer Hektare kann, wer will, in rund 180 Läden während 365 Tagen im Jahr von frühmorgens bis in die Nacht einkaufen. Und wer unbedingt will, kann sich auch den neusten Flachbild-TV posten. Doch das reicht natürlich einer ideologischen Turbo-Lädelerin wie der Zürcher Volkswirtschaftsdirektorin Carmen Walker-Späh nicht. Weil die FDP-Frau seit Jahren mit ihren politischen Vorstössen zur Schleifung des Arbeitsgesetzes für Verkäuferinnen und Verkäufer aufläuft, wendet sie das geltende Gesetz in ihrem Kanton nicht korrekt an. Die Unia-Region Zürich-Schaffhausen ist darum regelmässig gefordert, die Einhaltung des geltenden Gesetzes via Gerichte einzufordern. Das tut die Gewerkschaft überaus erfolgreich, wie aktuell zwei neue Urteile des Zürcher Verwaltungsgerichts zeigen. Eines davon betrifft einen alten Bekannten: die Migros-Daily-Filiale an der Stadtzürcher Zollstrasse.

DIE TRICKSERIN: FDP-Frau Carmen Walker-Späh. (Foto: Keystone)

«An» ist nicht «in»

Für Menschen aus der Restschweiz: Diese Filiale liegt in der Nähe des Zürcher Hauptbahnhofs. So in der Nähe wie etwa das Landesmuseum. Aber während kein Mensch auf die Idee käme zu behaupten, das Schweizerische Landesmuseum liege im Zürcher HB, ist auch allen vernünftigen Menschen klar, dass die Migros-Daily-Filiale nicht im Bahnhof liegt. Sondern eben in der Nähe. 

Das allgemeine Sonntagsarbeitsverbot ist im Arbeitsgesetz geregelt. Es gilt für die ganze Schweiz und sieht nur wenige definierte Ausnahmen vor. Zum Beispiel bei «Betrieben für Reisende». Dies sind «Verkaufsstellen und Dienstleistungsbetriebe an Bahnhöfen, Flughäfen, an anderen Terminals des öffentlichen Verkehrs und in Grenzorten, die ein Waren- und Dienstleistungsangebot führen, das in erster Linie auf die Bedürfnisse der Reisenden ausgerichtet ist». In solchen Betrieben darf das «für die Bedienung der Durchreisenden erforderliche Personal» ohne behördliche Bewilligung am Sonntag beschäftigt werden. 

Und dann gibt es noch die Spezialregeln für Geschäfte in Bahnhöfen. Diese gelten für «Verkaufsstellen und Dienstleistungsbetriebe in Flughäfen und in stark frequentierten Bahnhöfen». Hier ist die Ausnahme vom Sonntagsarbeitsverbot nicht mehr vom Bedürfnis der Reisenden abhängig, sondern nur von der Lage der Geschäfte. Kurz:

«An Bahnhöfen» ist nicht gleich «in Bahnhöfen». Das tönt rechtlich formuliert eventuell etwas kompliziert, im richtigen Leben ist aber jedem Kindergarten-Kind klar, was der Unterschied zwischen «in» und «an» ist.

Sechs Jahre Tricksereien

Es ist nicht sehr riskant, davon auszugehen, dass sowohl Migros-Managerinnen wie Zürcher Kantonsangestellte diese Unterscheidung auch machen können. Aber sie wollen nicht. Darum läuft seit mittlerweile sechs Jahren ein Hase-und-Igel-Rennen zwischen der Migros und dem Amt für Wirtschaft auf der einen und der Unia auf der anderen Seite um die Sonntagsöffnung der Migros-Daily-Filiale an der Zollstrasse. Im Mai 2019 eröffnete die Migros die Filiale und öffnete sie an sieben Tagen. Bereits im Oktober 2019 erreichte die Gewerkschaft Unia einen ersten Erfolg:

Das kantonale Amt für Wirtschaft und Arbeit (AWA) bestätigte, dass die Filiale nicht auf Bahnhofsgelände liegt und darum keine Ausnahmegenehmigung für Sonntagsarbeit beanspruchen kann. Die murrende Migros musste den Laden am Sonntag schliessen.

IMMER WIEDER EIN FALL FÜR DIE GERICHTE: Der Kanton Zürich und die Migros versuchen mit allen Mitteln, die Filiale an der Zollstrasse auch am Sonntag zu öffnen. (Foto: Migros Genossenschaft Zürich)

Im Oktober 2020 versuchte der Detailhandelsriese, das Verbot mit einem vermeintlich neuen Konzept zu umgehen: Die Filiale wurde offiziell «unbemannt» betrieben, mit Self-Checkout-Kassen und Sicherheits- statt Verkaufspersonal. Das AWA hielt dieses Modell für legal. Doch die Unia reagierte prompt mit einer Beschwerde und kritisierte die Lösung als «Schlaumeierei», da indirekt weiterhin Personal für Regalauffüllung und andere Aufgaben benötigt wurde. Im Frühjahr 2022 gab das Zürcher Verwaltungsgericht der Gewerkschaft erneut recht und bestätigte, dass auch die «unbemannte» Filiale gegen das Arbeitsgesetz verstösst.

Klares Urteil

Doch Walker-Spähs Leute und die Migros gaben immer noch nicht auf. Weil die Zollstrasse unterdessen verkehrsberuhigt ist, behaupteten Migros und Amt, jetzt gehöre der Laden also wirklich zum Bahnhof. Die Unia musste wieder klagen – und erhielt jetzt wieder recht. In seinem Urteil vom 27. März 2025 kommt das Verwaltungsgericht zu einem eindeutigen Schluss: Die Migros-Daily-Filiale an der Zollstrasse ist kein «Betrieb für Reisende» im Sinne des Arbeitsgesetzes. Der Laden ist «mindestens so sehr als Quartierladen zu verstehen wie als Geschäft für Reisende».

Ans Gesetz halten

Serge Gnos ist Co-Regioleiter der Unia Zürich-Schaffhausen und zufrieden mit dem Urteil. Er fordert aber weitere Konsequenzen: «Der Kanton muss endlich sicherstellen, dass geltendes Recht eingehalten wird.» Denn:

Im Kanton Zürich hat sich ein Umgang mit geltendem Recht etabliert, in dem das Arbeitsgesetz zugunsten der Läden und gegen die Arbeitnehmenden ausgelegt wird.

FORDERT KONSEQUENZEN: Unia-Mann Serge Gnos. (Foto: zvg)

Neben dem Urteil in Sachen Migros-Zollstrasse entschied das Gericht auch im Fall einer «Goods»-Filiale am Winterthurer Bahnhofplatz gegen die Migros und im Sinne der Arbeitnehmenden. Aktuell führt die Unia Zürich-Schaffhausen in ihrer Region in vier weiteren Fällen Klage gegen ungerechtfertigt am Sonntag geöffnete Grossverteilerfilialen.

Schreibe einen Kommentar

Bitte fülle alle mit * gekennzeichneten Felder aus.