SGB-Chefökonom zur US-Zollamokiade
«Gute Löhne sind die beste Industriepolitik»

US-Präsident Donald Trump überzieht die Welt mit ­Zöllen. Die Börsen beben, und die Folgen für die Weltwirtschaft sind ­unabsehbar. work wollte von SGB-Chefökonom Daniel Lampart wissen, was auf die Lohnabhängigen in der Schweiz zukommt.

ÖKONOM DANIEL LAMPART: «Ein grosser Teil der Schweizer Exporte wird gar nicht von Zöllen erfasst oder nur minimal.» (Foto: Yoshiko Kusano)

work: Daniel Lampart, die Welt steht kopf, seit Donald Trump die Welt mit Zöllen überzieht. Und die Schweiz steht besonders kopf, weil sie sogar noch höhere Tarife angedroht bekommen hat als die EU. Was bedeutet das für die Lohnabhängigen in der Schweiz?
Daniel Lampart: Gut ist es sicher nicht. Für ge­wisse Branchen wird es schwieriger. Aber die aktuelle Berichterstattung und teilweise auch die Analysen sind oft sehr pessimistisch.

Zu pessimistisch?
Ein grosser Teil der Schweizer Exporte wird – Stand jetzt* – gar nicht von Zöllen erfasst oder nur minimal. Zum Beispiel die Pharma. Es ist ja nicht das erste Mal, dass eine Trump-Regierung an der Zoll-Schraube dreht. Bereits 2018 wurden Importe aus China stark belastet. Von damals wissen wir, dass die Exportzölle nicht von den chinesischen Firmen bezahlt wurden, sondern von den US-Konsumierenden und vom US-Detailhandel – über höhere Preise und geringere Margen.

Was lesen Sie daraus ab für die Schweizer Exporteure und die Menschen, die für sie arbeiten?
Die Schweizer Exporteure haben sicher eine bessere Marktstellung als die chinesischen Firmen, die vor allem Billigprodukte in die USA exportierten. Darum gehe ich davon aus, dass ein grosser Teil dieser Zölle – so sie dann überhaupt kommen und in der jetzt verkündeten Form – weitergegeben werden kann. Das ist negativ für die Bevölkerung in den USA und wird sicher die weltweite Nachfrage etwas abschwächen, aber: für die Arbeitnehmenden in der Schweiz ist es bei weitem nicht das grösste Problem der letzten 20 Jahre. Dieser Zoll-Rundumschlag von Trump ist vor allem ein Problem der Menschen in den USA. Kurz:

Die US-Zollpolitik unter Trump schadet der eigenen Bevölkerung.

Und trotzdem schmieren weltweit die Börsen ab, viele Regierungen und Nationalbanken haben in den Krisenmodus geschaltet. Droht eine neue Krise, die eigentlich gar nicht direkt mit dem Zollregime zusammenhängt?
Die Nervosität ist riesig. Wobei die Finanzmärkte vor allem darüber schockiert sind, dass sich die Politik über die Interessen der grossen Konzerne weltweit hinwegsetzt. Neben den Zöllen haben jene US-Ökonomen, die Trump beraten, ja noch andere Pläne, die weit darüber hinausgehen, was wir bisher wirtschaftspolitisch gesehen haben. Zum Beispiel die Idee, Anleger in den USA teilweise zu enteignen, um den Dollar zu schwächen. Das macht die Anlegerinnen und Anleger nervös. Die Arbeitnehmenden sollten sich nicht anstecken lassen.

Sondern?
Die beste Industriepolitik ist, die besten Arbeitnehmenden zu haben. Um die besten Arbeitnehmenden zu haben, braucht es gute Löhne, gute Ausbildung. Hier schneidet die Schweiz viel besser ab als die USA.

In diesem Sinn kann man sagen, hat der Bundesrat gut reagiert, indem er praktisch nicht reagiert hat?
Für ein kleines Land, das stark darauf angewiesen ist, dass es die Produkte in der ganzen Welt verkaufen kann, ist es nicht gut, wenn der Handel eingeschränkt wird. So gesehen muss die Schweiz mit allen Ländern und Regionen kooperieren. Aber natürlich ganz besonders mit demokratischen und sozialen Ländern und Regionen, konkret zum Beispiel mit der EU und Kanada, die wirtschaftliche Zusammenarbeit verstärken.

Und Trump rechts liegenlassen?
Mit diesem Narzissten wird man leider trotzdem reden müssen, weil die USA für gewisse Branchen halt ein bedeutender Absatzmarkt sind.

Sosehr es einen auch ekeln mag, mit dieser Regierung zu verhandeln, die sich über demokratische Grundsätze, über Soziales und überhaupt alle Regeln des zivilisierten Zusammenlebens quasi diktatorisch einfach so hinwegsetzt.

Die Bundesratsmehrheit und Wirtschaftsverbände sind ja einerseits erschrocken über und andererseits sehr fasziniert vom «Dealmaker Trump» und möchten mitdealen.
Ich vermute, dass man in nächster Zeit damit nicht gross weiterkommt.

Weil die bürgerliche Parlamentsmehrheit die Industriezölle als marktradikale Musterschülerin bereits vollständig abgeschafft hat?
Zum Beispiel. Wir haben immer gesagt, das sei ein dummer taktischer Fehler, weil wir diese Industriezölle noch irgendwann zum Verhandeln brauchen würden. Allerdings hätte ich nicht gedacht, dass es so schnell so akut wird. Die Arbeitgeberverbände und die bürgerlichen Parteien haben diese Zollabschaffung als sehr bedeutendes wirtschaftspolitisches Manöver präsentiert und das Blaue vom Himmel versprochen, wie das ganze Land das wirtschaftlich positiv spüren werde. Doch nach der Abschaffung war nichts zu spüren. Die einzige Auswirkung ist, dass dem Bund Einnahmen fehlen. Das zeigt allerdings auch, dass man die Bedeutung von Zöllen nicht übertreiben sollte.

Was ist wichtiger für die Arbeitnehmenden in der Schweiz?
Eindeutig der Schweizer Franken. Der hat sich leider aufgewertet in den letzten Tagen. Es ist völlig klar, dass die Schweizerische Nationalbank (SNB) dafür sorgen muss, dass wir einen fairen Wechselkurs haben. Das heisst: eher abwerten statt aufwerten. Neben der Verlängerung der Kurzarbeit ist diese Massnahme sicher zentral. Und dann muss der Bundesrat halt schauen, ob mit dieser US-Regierung eine vernünftige Verständigung überhaupt möglich ist.

Aus Arbeitgeberverbänden und bürgerlichen Parteien ertönt jetzt der Ruf, als Reaktion auf Trump die Steuern zu senken und weiter zu deregulieren. Oder gar die Einführung der 13. AHV-Rente zu verschieben.
Das ist natürlich Unsinn. Die beste Industrie- und Wirtschaftspolitik ist eine, die in die Arbeitnehmenden investiert. Alle Massnahmen, die die Situation der Arbeitnehmenden verschlechtern, sind dabei nicht zielführend. Denn:

Was wir brauchen, sind gute Löhne, gute Arbeitsbedingungen und gute Ausbildungen. Das ist nichts Neues, aber es gilt weiterhin – mit oder ohne Trump.

Apropos gute Löhne. Neben vielem anderen wirft Trump den anderen Industriestaaten vor, die Löhne ihrer Arbeitenden niedrig zu halten, um zu tieferen Preisen in die USA exportieren zu können.
Eine interessante These. Tatsächlich gibt es bei der Weitergabe der Produktivitätsgewinne an die Arbeitnehmenden, also den Löhnen, Handlungsbedarf. Wobei der in den USA grösser ist als in der Schweiz. Beispielsweise sind die Reallöhne in der US-Autoindustrie heute 20 Prozent tiefer als vor 20 Jahren. Aber auch in der Schweiz ist die Situation zunehmend besorgniserregend. Die Reallöh­­ne in der Maschinenindustrie zum Beispiel stagnieren seit Jahren. Die Branche hat immer mehr Mühe, gute Leute zu finden. Noch ist es nicht so schlimm wie in den USA. Aber auch bei uns sind die Löhne eindeutig zu wenig stark gestiegen. Das haben wir immer gesagt. Da muss es aufwärtsgehen.

Wie geht es weiter?
Voraussagen sind bekanntlich immer schwierig, vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen. Und ganz besonders bei der Trump-Regierung, deren Handlungen nicht wirklich stringent sind. Klar ist, dass Trump in den USA aktuell einen grossen Wirtschaftsschaden anrichtet. Das ist selten erfolgversprechend in kapitalistischen Marktwirtschaften. Ich gehe schon davon aus, dass sie zurückrudern müssen.

* Das Interview wurde am 8. April geführt

Schreibe einen Kommentar

Bitte fülle alle mit * gekennzeichneten Felder aus.