Kürzere Arbeitstage auf der langen Bank

Anne-Sophie Zbinden, Chefredaktorin

Anne-Sophie Zbinden, Chefredaktorin

Es ist Mai, die Zeichen stehen auf Baustreik. Überall im Land legen Bauarbeiter ihre Schaufeln nieder und gehen an Kundgebungen. Ihre Forderungen: Mehr Lohn, weniger Arbeitszeit. Doch sie haben die ganze bürgerliche Kavallerie gegen sich: Die Baumeister mauern, Bundesstellen blockieren, der Bundesrat warnt davor, dass höhere Löhne die Teuerung anheizen würden. Und die NZZ schreibt gegen Lohnerhöhungen an, was die Druckerschwärze hergibt: Höhere Löhne würden die Wohnungsnot verschärfen, Mieten erhöhen und überhaupt der gesamten Wirtschaft schaden. Ein Streik scheint unausweichlich.

Premiere

Zum ersten Mal in der Geschichte muss der Bundesrat in einem Konflikt der Sozialpartner vermitteln. Er tut dies vor allem aus Sorge um die Schaffung der AHV, über die später im Jahr abgestimmt werden soll. Denn es ist das Jahr 1947. Bundespräsident Philipp Etter, Wirtschaftsminister Walther Stampfli und Finanzminister Ernst Nobs führen einen Kompromiss herbei. Die Gewerkschaften stimmen dem neuen Landesman­telvertrag nur unter dem Druck der bevorstehenden AHV-Abstimmung zu. Trotzdem: höhere Löhne sind im neuen Vertrag gesichert. Die Reduktion der Arbeitszeit wird aber auf die lange Bank geschoben, auf eine sehr lange Bank.

Propaganda

Dort liegt sie noch immer: Überstundenmarathons, Samstagsarbeit und ex­treme Reisezeiten sind heute die Realität der Baubüezer. Deshalb ist die Forderung nach einer Reduktion der Arbeitszeit eine der wichtigsten in den aktuellen Verhandlungen um die Erneuerung des Landesmantelvertrages. Vorarbeiter Daniel Santos (43) sagt es klipp und klar: «Mein Chef weiss haargenau: Wenn ich am Samstag arbeiten muss, dann bin ich weg!» Denn sein Wochenende gehört seiner Frau und den beiden Töchtern. «Die Familie ist mir heilig!» Um möglichst viele Kollegen an die grosse Baudemo vom 17. Mai zu bringen, mache er auf den Baustellen «munter Propaganda für unsere Sache». Hier geht es zum Artikel.

Positivgeschichten

Dass muntere Propaganda für eine gemeinsame Sache zum Erfolg führen kann, feiern wir in dieser work-Nummer gleich dreimal. Feste feiern, wie sie fallen ist umso wichtiger in Zeiten des Trumpismus (eine kühle Analyse zu Trumps Zollpolitik liefert übrigens SGB-Chefökonom Daniel Lampart):

  1. Znüni näh: Seit dem 1. April gilt der GAV Gerüstbau. work war bei einer der ersten bezahlten Znünipausen dabei, einer der vielen wichtigen Errungenschaften des neuen GAV (zum Beitrag).
  2. Achtung, frisch gemalt! Bis zu 100 Franken mehr Lohn und höhere Mindestlöhne: ein Zwischenerfolg bei den Verhandlungen für den Gesamtarbeitsvertrag in der Maler-Gipser­Branche, der sich sehen lässt (zum Beitrag).
  3. Mehr als Brösmeli: Entlassungen sind nie Grund zum Feiern, natürlich nicht. Und ­trotzdem: Was die Belegschaft des Industriebetriebs Faulhaber für ihren Sozialplan erkämpft hat, ist bemerkenswert. Der deutsche Betrieb wollte sie mit ein paar Hundert Franken abspeisen. Doch jetzt sind es ein paar Tausend! Immerhin ein finanzielles Polster (zum Beitrag).

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