Die andalusische Gewerkschaft SAT setzt auf zivilen Umgehorsam
«Wir sind die am härtesten verfolgte Gewerkschaft in Europa»

Mitglieder der antikapitalistischen Gewerkschaft SAT stehen für zivilen Ungehorsam und ­wehren sich auch erfolgreich gegen die repressive spanische Justiz.

KÄMPFER FÜR EINE GERECHTERE WELT: Óscar Reina führt die Gewerkschaft der andalusischen Arbeiter und handelt sich immer wieder Ärger ein. (Foto: ZVG)

«Niemand gibt hier auf», sagt Óscar Reina. Gerade ist der Generalsekretär der kämpferischen Gewerkschaft der andalusischen Arbeiter (SAT) in der Führung bestätigt worden. Es zeige sich, dass es sich stets lohne, «für eine bessere und gerechtere Welt» zu kämpfen, erklärt der Mann gegenüber work. Gerade traf ein wichtiges Schreiben bei ihm ein. Darin wurden er und zwei weitere SAT-Mitglieder von den Vorwürfen freigesprochen, für die sie dreieinhalb Jahre in den Knast wandern sollten.

Zehn Jahre hatte sich das Verfahren hingezogen. Sie hatten eine Firma als «Sklavenhalter» beleidigt und damit «zum Hass» angestiftet. Es habe sich um «Lawfare» gehandelt, also ­einen juristischen Krieg, ist Reina überzeugt. Neun Mal war er seither zeitweise festgenommen worden. Er und die SAT-Mitglieder kommen Vorladungen nicht nach und boykottieren Prozesse. Das gehört zum «zivilen Ungehorsam» der SAT.

Er kann auf weitere Siege gegen eine Justiz in Spanien verweisen, die oft unhaltbare Vorwürfe auffährt. So waren im März auch Gewerkschaftsaktivistinnen endgültig freigesprochen worden. Vanesa Sánchez und zwei weitere SAT-Mitglieder sollten sogar fünf Jahre hinter Gitter, weil sie 2021 im Rahmen eines Protests «gewaltsam» in die Tourismusbehörde in Granada eingedrungen sein sollen, um die Wiedereinstellung von Sánchez zu fordern. Elf Jahre hatte sie als Reinigungskraft in der Behörde für Subunternehmen gearbeitet. Sie war wegen ihrer Gewerkschaftsarbeit als einzige Beschäftigte nicht übernommen worden, als einem neuen Subunternehmen die Arbeiten zugeteilt wurden.

Kultur als Waffe

Für Gewerkschaftssekretär Reina ist die SAT die «am härtesten verfolgte Gewerkschaft Europas». Etwa 600 Mitglieder werden oder wurden juristisch verfolgt. Geforderte Haftstrafen summieren sich auf etwa 400 Jahre. Auch mit Geldstrafen, die im Umfang von über einer Million Euro verhängt wurden, versuche man, die Gewerkschaft mit etwa 20 000 Mitgliedern in die Knie zu zwingen. Um Geld in die «Kampfkasse» zu bekommen, hat Reina nun den Gedichtband «Desobediencia para la libertad» (Ungehorsam für die Freiheit) veröffentlicht, den er nun im gesamten Land vorstellt. Er sagt:

Auch die Kultur ist eine revolu­tionäre Waffe im Kampf für eine freie und bessere Welt.

Die Führung der Gewerkschaft übernahm er 2015 im Alter von 25 Jahren. Damals fand der SAT-Kongress in Gilena statt, einem Dorf mit 4000 Einwohnern in der Provinz Sevilla, aus dem Reina stammt. Acht Jahre zuvor war die SAT aus der Landarbeitergewerkschaft (SOC) hervorgegangen, um auch andere Sektoren zu erreichen. «Wir wollen dorthin gelangen, wo sonst niemand hinkommt, um für die gerechten Anliegen der Arbeiterklasse zu kämpfen», erklärt Reina.

Der letzte Kongress der Gewerkschaft fand in Marinaleda statt. Das ist kein Zufall. Das «anarcho-kommunistische» Dorf ist ein Vorbild. Nach vielen Kampfjahren, die bis in die Franco-Diktatur zurückreichen, wurde das ­besetzte Landgut «El Humoso» in Marinaleda von der damaligen sozialdemokratischen Regionalregierung gekauft und 1991 dann denen übergeben, die das Land auch bearbeiten. Die nun in Andalusien regierende rechte Volkspartei (PP) will es nun aber verkaufen.

Das Aushängeschild der Bewegung soll zerstört werden. Denn über Kooperativen wurde ein prosperierendes Dorf geschaffen, in dem Arbeits- und Wohnungslosigkeit praktisch Fremdwörter sind, die sonst in Andalusien grassieren. Immer wieder werden meist ungenutzte Landgüter besetzt, um sie ebenfalls genossenschaftlich mit Einheitslohn zu beackern. Dreizehn Mal wurde in dreizehn Jahren das Landgut «Somonte» in Palma del Rio geräumt und vierzehn Mal besetzt. Der Verkauf von 400 Hektaren Land, die sich in öffentlicher Hand befinden, soll verhindert werden. Gegen zehn SAT-Mitglieder werden deswegen jeweils drei Jahre Haft gefordert, der Prozess steht noch aus.

* Ralf Streck ist Journalist und lebt seit über 20 Jahren in Spanien.

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