Privatisierung des Gesundheitswesens
Mit Kliniken Kasse machen

Die Privatklinikgruppe Swiss Medical Network (SMN) ist neue Besitzerin des Regionalspitals Zofingen AG. Zusammen mit der der Krankenkasse Visana will SMN in der ganzen Schweiz integrierte Gesundheitsversorgungssysteme aufbauen und effizienter werden. Kann das gut gehen?

WENN PRIVATINVESTOREN UND KRANKENKASSEN VON DEN KANTONEN ÜBERNEHMEN: Antoine Hubert (l.) mit Visana-Mann Lorenz Hess (r.) und dem Berner Gesundheitsdirektor Pierre Alain Schnegg (m.) im Operationssaal des Spitals Moutier. (Foto: Keystone)

«Vielen von uns ist ein Stein vom Herzen gefallen, wir haben wieder eine Perspektive.», sagte die Physiotherapeutin Caroline Striebel als Personalvertreterin an der Pressekonferenz im Dezember, als die Übernahme des Regionalspitals Zofingen AG durch die Privatklinikgruppe Swiss Medical Network (SMN) bekannt gegeben wurde. SMN zahlt 50 Millionen Franken und übernimmt zudem alle Schulden des Spitals. Das Kantonsspital Aargau wird im Gegenzug Aktionärin bei SMN, so wie dies auch die Krankenkasse Visana ist (siehe Box unten). Viele Mitarbeitende des Spitals in Zofingen sind erleichtert, weil es Gerüchte gab, dass der Kanton Aargau das Spital aufgrund der wachsenden Verschuldung schliessen könnte. 

Angriff auf die öffentliche Gesundheitsversorgung

SMN verspricht, dass alle Arbeitsplätze erhalten bleiben und die 770 Mitarbeitenden im Spital und Pflegezentrum zu ihren aktuellen Anstellungsbedingungen weiterarbeiten können. Dennoch äussern die Gewerkschaft Vpod und SP-Politikerinnen und Politikern scharfe Kritik an der Übernahme des Spitals durch SMN. Für den Vpod ist der Verkauf ein Angriff auf die öffentliche Gesundheitsversorgung und auch nicht im Interesse der Mitarbeitenden. Dariyusch Pour Mohsen, Regionalleiter des Vpod in der Region Aargau-Solothurn sagt:

Wir fordern, dass die Arbeitsplätze, Löhne und Sozialleistungen verbindlich garantiert werden – im Rahmen eines Gesamtarbeitsvertrags.

«SMN will Geld sehen»

Auch Lucia Engeli, Ärztin und Grossrätin der SP im Kanton Aargau, sieht die Übernahme kritisch. Sie sagt: «Das Spital Zofingen ist mit dem jetzigen Angebot nicht rentabel, das wird sich auch mit dieser Übernahme nicht ändern.» Engeli rechnet damit, dass die Grundversorgung in Zofingen abgebaut und durch lukrativere chirurgische Angebote ersetzt werden könnte. Sie sagt:

SMN ist auf Wachstumskurs und sie wollen Geld sehen.

SP-Präsident Cédric Wermuth hat auf den Verkauf des Spitals mit einer Interpellation an den Bundesrat reagiert, weil er eine Kommerzialisierung der medizinischen Grundversorgung in der ganzen Schweiz befürchtet. Die finanzielle Notlage von kleineren Spitälern werde von den Privatspitalgruppen ausgenutzt. 

Das privatisierte Gesundheitsnetz

SMN schreibt auf Anfrage von work: «Durch die Erweiterung des medizinischen Angebots und die Gewinnung neuer Fachärzte wird die Krankenhausauslastung gesteigert, was sich positiv auf die Wirtschaftlichkeit auswirkt.» SMN will insbesondere die Angebote im Bereich der integrierten Versorgung ausbauen und die SMN-Kliniken besser vernetzen.  

Lorenz Hess, Mitte-Nationalrat und Verwaltungsrat bei SMN und der Krankenkasse Visana sagt: «Die Patientinnen und Patienten erhalten alle medizinischen Leistungen von der Grundversorgung bis zur Altenpflege aus einer Hand koordiniert, mit der Hausärztin oder dem Hausarzt als zentrale Anlaufstelle.» Damit könnten auch chronisch Kranke besser und individueller betreut werden. 

Krankenkasse als Gesundheitsdienstleisterin

Als Gegenstück zur integrierten Versorgung durch SMN offeriert die Krankenkasse Visana den «Viva Gesundheitsplan».Ein solches Versicherungsmodell existiert bereits im Jura mit dem SMN-Spital Moutier. Durch die etwas tieferen Prämie konnte Visana die Anzahl der Viva-Versicherten im neuen Jahr fast verdoppeln. Seit 2025 gibt es das Viva-Modell auch im Tessin, wo SMN zwei Privatkliniken betreibt und im letzten Jahr zehn Gruppenpraxen aufgekauft hat. Mit dem Zukauf des Spitals Zofingen soll das entsprechende Versicherungsmodell bei der Visana auch im Kanton Aargau eingeführt werden. SMN schreibt: «Unser Ziel ist es, diesen Ansatz bis 2030 auf alle Regionen der Schweiz auszuweiten, in denen wir vertreten sind.» Für die Ärztin Lucia Engeli ist dieser Plan ein Skandal:  

Eine Krankenkasse hat in einem Spital nichts zu suchen. Es müsste verboten sein, dass der Versicherer auch selber der Leistungserbringer ist. Zielkonflikte sind vorprogrammiert!

Doch der Bundesrat sieht darin kein Problem. In seiner Antwort auf die Interpellation von Cédric Wermuth schreibt er: «Der Bundesrat ist nicht der Ansicht, dass eine solche Konstellation zwangsläufig zu Interessenkonflikten führen muss.» Die Kantone müssten sicherstellen, dass alle Spitäler eine effizient ausgestaltete Grundversorgung gewährleisten können, egal ob die Trägerschaft des Spitals dabei öffentlich oder privat sei.

Vom Elektriker zum Klinik-Investor

Nach einer Elektrikerlehre machte sich Antoine Hubert (58) im Alter von 21 Jahren selbstständig. In den 90er-Jahren verkaufte er Mobiltelefone und eröffnete im Wallis ein Möbelpolstereigeschäft. Dieses ging jedoch Bankrott. Beim Einstieg ins Immobiliengeschäft hatte der Unterwalliser mehr Erfolg. Heute taucht Hubert in der Bilanzliste der 300 reichsten Schweizer auf. Als einer von wenigen, der sein Vermögen nicht geerbt hat. 

Mit der Investmentgesellschaft Aevis Victoria, die er 2006 zusammen mit dem französischen Milliardär Michel Reybier (79) gründete, kaufte Hubert Luxushotels und Privatkliniken. Aevis Victoria ist inzwischen ein börsenkotiertes Unternehmen, an dem auch ein Staatsfonds aus Kuwait und eine US-amerikanische Investorengruppe beteiligt sind. Die Investmentgesellschaft ist Mehrheitsbesitzerin des Swiss Medical Network (SMN), welches in der Schweiz 21 Spitäler und Kliniken mit über 2000 Ärztinnen und Ärzten und mehr als 4000 Angestellten betreibt und weiter auf Expansionskurs ist. 

Im Verwaltungsrat der Swiss Medical Group sitzen neben dem Ex-Migros-Chef Fabrice Zumbrunnen auch die ehemalige Bundesrätin Ruth Metzler-Arnold, der ehemalige FDP-Präsident Fulvio Pelli und der ehemalige CVP-Generalsekretär Raymond Loretan. Die Krankenkasse Visana ist seit 2023 mit 150 Millionen Franken am Swiss Medical Network beteiligt und durch Mitte-Nationalrat Lorenz Hess im Verwaltungsrat von SMN vertreten.

Schreibe einen Kommentar

Bitte fülle alle mit * gekennzeichneten Felder aus.