Tödliches Attentat auf Streikdemo von Staatsangestellten in München
Amel kämpfte für Gerechtigkeit

Ein Mann rast mit ­seinem Auto in eine Demo der ­Gewerkschaft Verdi. Die Ingenieurin Amel und ihre Tochter sterben, 37 Menschen werden verletzt. Angehörige und Verdi mahnen, den Anschlag nicht für Hass und Hetze zu instrumentalisieren.


GROSSE ANTEILNAHME: Mit Blumen und Kerzen nehmen die Menschen Abschied von der getöteten Gewerkschafterin und ihrer Tochter. (Foto: Verdi)

Es ist der brutalste Angriff auf eine Gewerkschaftsveranstaltung in der Geschichte der Bundesrepublik. Am Donnerstag, dem 13. Februar, demonstrieren rund 2000 Angestellte öffent­licher Institutionen durch München. Dies im Rahmen eines Warnstreiks der Gewerkschaft Verdi für bessere Gesamtarbeitsverträge bei Bund und Kommunen. Dann geschieht es. Ein weisser Mini Cooper überholt das Polizeiauto am Ende des Umzugs und rast von hinten in die Menschenmenge. Zwar zückt ein Polizist noch seine Pistole und feuert auf den Fahrer. Doch es ist zu spät, das Auto wird zur Waffe. 39 Menschen werden verletzt, viele davon schwer. Die 37jährige Ingenieurin Amel und ihre 2jährige Tochter Hafsa, die sie im Kinderwagen dabeihatte, erliegen später ihren Verletzungen. Andere Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter kämpfen laut Verdi noch immer um ihr Leben.

Islamistische Blitzradikalisierung?

Der Fahrer, ein 24jähriger Afghane, wird noch am Tatort verhaftet. Dabei soll er laut einem Polizisten «Allahu Akbar» (Gott ist grösser) gerufen haben. Wenige Stunden später behauptete der bayerische Innenminister Joachim Hermann (CSU), der Täter sei bereits durch Ladendiebstähle und Drogendelikte bekannt gewesen. Doch ebenso schnell musste sich der Wahlkämpfer entschuldigen und zugeben, dass dies Falschinformationen seien. Als gesichert gilt hingegen Folgendes: Der Täter ist 2016 als unbegleiteter Minderjähriger nach Deutschland gekommen. Zuvor hatte er per Boot das Mittelmeer überquert. Beim damals 15jährigen wurde eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert. Sein Asylantrag wurde 2020 abgelehnt, doch erhielt er kurz darauf wegen der Machtergreifung der Taliban einen Duldungsbescheid. Und der Polizei bekannt war der Täter bloss wegen einer verwaltungsrechtlichen Bagatelle und weil er als Zeuge gegen Diebe aufgetreten war. Zuletzt arbeitete er nämlich legal als Ladendetektiv.

Privat präsentierte er sich auf Social Media als Bodybuilder und in übersteigertem Glamourchic. Aber auch religiöse Inhalte fanden sich auf seinen Profilen. Laut Recherchen des «Tagesspiegels» folgte er mehreren islamistischen Predigern. Die Generalbundesanwaltschaft, die den Fall übernommen hat, geht daher von einem islamistischen Motiv aus. Szenenkenner vermuten eine Blitzradikalisierung übers Internet.

AfD: «Haben Show gehabt»

In weiser Vorahnung meldeten sich die Angehörigen der beiden Getöteten sofort zu Wort und hielten fest:

Amel ist in Algerien geboren und (…) war ein Mensch, der sich für Gerechtigkeit eingesetzt hat. Sie war aktiv für Solidarität, Gleichheit und setzte sich für Arbeitnehmendenrechte ein und gegen Fremdenfeindlichkeit und Ausgrenzung. Ihr war es sehr wichtig, ihrer Tochter diese Werte mitzugeben. Wir möchten bekräftigen, dass der Tod und der Verlust nicht benutzt werden, um Hass zu schüren und ihn politisch zu instrumentalisieren.

Doch manchen ist Pietät egal. AfD-Landeschef Stephan Protschka versammelte sich drei Tage nach dem Attentat mit rund dreissig Getreuen am Tatort um – mit reichlicher medialer Begleitung – Blumen niederzulegen. Dagegen wehrten sich jedoch rund 400 Protestierende mit einer Menschenkette. Die AfDler mussten ihre Blumen anderswo ablegen. Und dann sagte Chef Protschka zu seinen Leuten (und in eine Kamera), jetzt könne man heimgehen. Denn: «Unsere Show haben wir gehabt.» Kein Gedenken also, sondern pure Show in der heissen Phase des Wahlkampfs.

Der Verdi-Migrationsausschuss fand dafür klare Worte: «Wir Migrantinnen und Menschen mit Migrationsgeschichte werden für nahezu alles verantwortlich gemacht, was in Deutschland gerade falschläuft. Für schreckliche Taten Einzelner werden alle in Haftung genommen und Grundrechte wie das Asylrecht faktisch abgeschafft. In Deutschland leben fast 25 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund – ohne uns läuft nichts. Die schlechte Finanzierung der Schulen, zu hohe Mieten, lange Wartezeiten für Arzttermine und die Gefahr eines Krieges (…) brauchen andere Antworten als Hetze gegen Migranten. (…) Dies wird das Leben der Arbeitnehmenden hierzulande nicht verbessern.»

Hilfe für Opfer

Die Verletzten, Hinterbliebenen und Traumatisierten von München brauchen unsere Solidarität! Jetzt spenden unter www.gewerkschaften-helfen.de

Schreibe einen Kommentar

Bitte fülle alle mit * gekennzeichneten Felder aus.