Das offene Ohr
Gast hatte einen allergischen Schock: Hafte ich?

Rahel Beyeler von der Unia-Rechtsabteilung beantwortet Fragen aus der Arbeitswelt.

Ich arbeite im Service und habe einen Gast mit Weizenallergie bedient. Wie im Betrieb üblich, informierte ich bei der Bestellung des Hauptgangs die Küche über die Allergie. Beim Dessert – einem Klassiker des Hauses – tat ich dies nicht, weil ich die Zutaten kannte und es schon öfter an Personen mit Weizenallergien serviert hatte. Ich wusste nicht, dass die Küche erst kürzlich das Rezept mit Mehl angereichert hatte. Leider erlitt der Gast daraufhin einen allergischen Schock, und die Ambulanz musste kommen. Die Rechnung des Rettungsdiensts von über 1800 Franken hat der Gast an unser Restaurant geschickt. Nun will meine Chefin, dass ich mich beteilige. Muss ich das?

FEHLER PASSIEREN: Auch eine Fachfrau kann nicht alles wissen. (Foto: Shutterstock)

Rahel Beyeler: Nein, in Ihrem Fall nicht. Zwar sieht das Gesetz vor, dass die ­Arbeitnehmenden für den Schaden aufkommen müssen, den sie der Arbeit­geberin absichtlich oder fahrlässig zu­fügen. Das Ausmass der Haftung richtet sich nach dem Grad des Verschuldens, wobei auch das Berufsrisiko, der Bildungsgrad oder die Fachkenntnisse, die für die Arbeit vorausgesetzt werden, zu berücksich­tigen sind. Bei leichter Fahrlässigkeit wird die Schadenersatzpflicht regel­mässig sehr deutlich reduziert, bei schadensgeneigter Arbeit entfällt sie sogar ganz. Dass selbst sorgfältige und aufmerk­same Servicemitarbeitende gelegentlich einen Teller zerschlagen, gehört beispielsweise zum Berufsrisiko. Der L-GAV des Gastgewerbes sieht denn auch ausdrücklich vor, dass Mitarbeitende für Glas- und Geschirrbruch nur haften, wenn sie absichtlich oder grobfahrlässig gehandelt haben. Ebenso kann es in der Hektik eines Abends passieren, dass ein Teller an den falschen Tisch serviert wird. Klar, bei Allergien von Gästen darf vom Servicepersonal ein erhöhtes Mass an Sorgfalt erwartet werden. Jedoch tragen meines Erachtens nicht allein Sie die Verantwortung für den Fehler. Die Küche hat das Rezept ergänzt, ohne dass Sie dar­über informiert wurden. Dies sind Anzeichen dafür, dass die Abläufe im Betrieb ungenügend organisiert waren. Hierfür trägt die Arbeitgeberin die Verantwortung. Sie muss also die Rechnung bezahlen.

Kündigungsschutz: Gilt dieser im Vaterschaftsurlaub?

In wenigen Monaten werde ich Vater und möchte einen längeren Vaterschaftsurlaub machen. Kann mein ­Arbeitgeber mir in dieser Zeit kündigen? Ich habe gehört, in Deutschland wäre ich gegen eine Kündigung geschützt.

Rahel Beyeler: Ja, das darf der Arbeitgeber! Wenn Sie während Ihres Urlaubs die Kündigung erhalten, ist diese gültig. Nur die Kündigungen von schwangeren Arbeitnehmerinnen oder von Müttern während des Mutterschaftsurlaubs sind nichtig. Die Schweiz kennt bis jetzt ­keinen zeitlichen Kündigungsschutz während des Vaterschaftsurlaubs. In Deutschland hingegen darf die Arbeit­geberin das Arbeitsverhältnis ab dem Zeitpunkt, von dem an Elternzeit verlangt worden ist, und auch während der Elternzeit selbst nicht kündigen. Wir könnten uns in diesem Punkt beim grossen ­Nachbarn gern ein Beispiel nehmen!

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