1x1 der Wirtschaft
Produktivität steigt stärker als Reallöhne – Höchste Zeit für eine Arbeitszeitverkürzung!

Die Arbeitnehmenden produzieren in derselben Zeit immer mehr. In ­Zahlen: Von 1993 bis 2023 stieg die ­Arbeitsproduktivität um 40 Prozent. Das heisst, in einer Stunde ­Arbeit produzieren die Arbeitnehmenden heute 40 Prozent mehr als vor 30 Jahren.

Win-Win

Wenn die Produktivität steigt, vergrössert sich der Verteilungsspielraum. Die Unternehmen können die Löhne erhöhen und gleichzeitig ihre Gewinne steigern. Eine Win-win-Situation. Würde man meinen. Tatsächlich werden die Löhne oft nicht im Gleichschritt mit der Produktivität erhöht: Die realen (um die Teuerung korrigierten) Löhne stiegen in den letzten 30 Jahren bloss um knapp 13 Prozent – weit entfernt von den 40 Prozent Produktivitätsfortschritt. Die Unternehmen nutzten die Produktivitätsgewinne also nicht, um die Löhne anzuheben.Die Umverteilung der Produktivitätsgewinne kann neben Lohnerhöhungen auch über eine Verkürzung der Arbeitszeit geschehen, zum Beispiel durch die Reduktion der täglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit.

18 Minuten

Tatsächlich stagniert die Vollzeitarbeitszeit seit langem. Im Jahr 1993 haben die Arbeitnehmenden bei einem Vollzeitpensum 42 Stunden gearbeitet. 2023 waren es noch immer 41,7 Stunden. Das entspricht einer Reduktion von gerade mal 18 Minuten in 30 Jahren. Gleichzeitig arbeiten viele Menschen, vor ­allem Frauen, Teilzeit, um Erwerbs­leben und Care-Arbeit vereinen zu können. Und müssen damit massive Einbus­sen bei Lohn und Renten in Kauf nehmen. Der heutige Vollzeitstandard von fast 42 Stunden ist nicht mehr zeitgemäss. Eine Reduktion der Erwerbsarbeitszeit würde mehr dringend benötigte Zeit für unbezahlte Care-Arbeit und Erholung lassen. Arbeitszeitverkürzung spielt auch eine wichtige Rolle auf dem Weg zu einer klimaneutralen Wirtschaft.

Arbeitszeitverkürzung als Antwort auf aktuelle Herausforderungen – die steigende Arbeitsproduktivität macht es möglich.

Noémie Zurlinden ist Ökonomin bei der Unia.

Schreibe einen Kommentar

Bitte fülle alle mit * gekennzeichneten Felder aus.