Rosa Zukunft ‒ Technik, Umwelt, Politik
Statt die Schweiz militärisch aufzurüsten, könnten wir die Ukraine energetisch umrüsten

Die Schweiz braucht eine ­Friedensbewegung. Und diese braucht ein Projekt. Die ETH hat eines in den Schubladen.

DAS GRÖSSTE AKW VON EUROPA: Die Anlage in Saporischja wurde von den Russen erobert. (Foto: Reuters)

Das Zitat soll angeblich von Lenin stammen: «Es gibt Jahrzehnte, in denen nichts passiert, und es gibt Wochen, in denen Jahrzehnte passieren!» Zitiert hat es jüngst der Vize­präsident des US-Hedge-Fund Blackrock und Ex-Nationalbankchef Philipp Hildebrand, der den Bundesrat in Sachen Trump berät.

Vielleicht geht alles nicht ganz so schnell, aber überall werden plötzlich feine Haarrisse sichtbar, die Veränderungen ankündigen:

Haarriss 1: Schweden und Finnland, unsere neutralen Freunde von ­gestern, sind Nato-Mitglieder geworden, weil sie an Russland ­grenzen.

Haarriss 2: Tesla, das Unternehmen von Trump-Berater und Multimilliardär Elon Musk, verkauft dieses Jahr in der Schweiz 65 Prozent weniger Autos als letztes Jahr. Und die grosse Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer will keine F-35 mehr kaufen.

Haarriss 3: In seiner Rede am SVP-Parteitag vom 29. März 2025 erwähnte Parteipräsident Marcel Dettling die Namen von Donald Trump, J. D. Vance und Elon Musk nicht mehr. Dies, nachdem SVP-Bundesrat Rösti Trump noch zur Wahl empfohlen hatte und für Multimilliardärin Magdalena Martullo-Blocher Trump gleich ist wie sie. Auch an der Basis, der eben noch Trump-freundlichen SVP, rumort es.

Haarriss 4: In Deutschland bricht Kanzlerkandidat Friedrich Merz alle seine Wahlversprechen: Innert Tagen hat sich die Schuldenbremse in Luft aufgelöst. In den nächsten vier Jahren wollen Union und SPD eine Billion Euro je zur Hälfte in Aufrüstung und Infrastruktur investieren. Und dies, obwohl Europa militärisch kein Geld-, sondern ein Effizienzproblem hat.

Haarriss 5: Die Nato entwickelt sich zu einer deutschen Organisation ohne die USA. Trotzdem ist die grosse Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer, genauso wie die grosse Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher, für die Beibehaltung der Neutralität. Doch der Druck auf die Schweiz wächst, dass sie die europäische Aufrüstung, hinter der sich deutsche Industriepolitik versteckt, mitfinanzieren solle. Und die SP – oder zumindest ihr Co-Präsident – will den deutschen Kriegsgurgeln offenbar Geld in die Rachen stopfen.

Gibt es Alternativen dazu?

Energie-Selbstversorgung

Das grösste Atomkraftwerk Europas ­befindet sich in der Ukraine, in ­Saporischja. Es produzierte pro Jahr doppelt so viel Strom wie alle Schweizer Atomkraftwerke zusammen. Jetzt steht es still, weil Russland es erobert hat. Die USA möchten sich die ukrainischen Atommeiler jetzt unter den Nagel reissen und so Geld verdienen. Das aber ginge auf Kosten der ukrainischen Konsumentinnen und Konsumenten.

Russland beschiesst die Energiezentralen in der Ukraine, weil Präsident Putin die ukrainische Wirtschaft sabotieren will, die ohne Atomstrom nicht funktioniert. Dabei belegen Untersuchungen, dass sich die Ukraine problemlos mit erneuerbarem Strom aus Wind und Sonne selber versorgen könnte. Dezentrale Wind- und Solar­anlagen – kombiniert mit Generatoren – machen ein Land resilienter. Statt die Schweiz militärisch aufzurüsten, könnten wir also sinnvoller die ­Ukraine energetisch umrüsten helfen.

Der Direktor des Instituts für Wissenschaft, Technologie und Politik der ETH, Thomas Schmid, hat die Fakten einer solchen Umrüstung zusammengetragen:

In der Ukraine liessen sich Windkraftwerke mit einer Leistung von 180 Gigawatt und Solaranlagen mit einer Leistung von 30 Gigawatt installieren. Zusammen können sie schnell, effizient und günstig so viel Strom produzieren, wie die Ukraine braucht.Die Investitionen dürften weniger als 100 Milliarden Franken ausmachen. Die Schweizerische Nationalbank verfügt über ein Vermögen von 800 Milliarden Franken. Sie könnte den ökologischen Umbau der Ukraine mit günstigen Krediten finanzieren. Das alles wäre für die Nationalbank immer noch viel schlauer, als was sie jetzt tut, nämlich 400 Milliarden Dollar zu horten, deren Wechselkurs Donald Trump in den Keller hauen wird.

Links zum Thema:

  • rebrand.ly/sönke-neitzel Sönke Neitzel ist ein deutscher Militärhistoriker mit Rechtsdrall. Er macht, wo er kann, die Bundeswehr schlecht. Im «Tages-Anzeiger» gibt Neitzel die Marschrichtung vor: «Die Schweiz muss gar nicht Mitglied der Nato werden, ich verstehe ja, dass das ihrer politischen Kultur und Geschichte widerspricht. Aus meiner Sicht könnte sie aber deutlicher machen, dass sie Teil der westlichen Gemeinschaft ist und zu deren Sicherheit militärisch einen Beitrag leisten will.» Auch die SP scheint in diese Denkrichtung zu gehen.
  • rebrand.ly/jo-lang Etwas seltsam ist die Armee-Logik von Grünen-Politiker und Mitbegründer der Gruppe Schweiz ohne Armee (GSoA), Jo Lang. Er meint: «Die Schweiz hat nun zwei Optionen: Entweder, sie schafft ihre Armee ab – oder aber, sie tritt der Nato bei. Denn eine Schweizer Armee ohne Nato-Support ist ohnehin ­wehrlos, und das Geld wird dann besser in zivile Verteidigung und Entwicklungshilfe investiert.»

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