Kolumne EUropa
Green Deal: Grüne Wende trotzt Trumpismus

Regula Rytz, Delegierte bei den European Greens, ehem. Nationalrätin und Präsidentin der Grünen, Mitglied der Arbeitsgruppe Europa des gewerkschaftsnahen «Denknetzes». (Montage: work)

Der Wiederaufbau von Westeuropa nach 1945 war eng mit der Gründung der «Montanunion» verknüpft. Diese überstaatliche Organisation sollte die kriegswichtigen Güter Kohle und Stahl kontrollieren. Und zusätzlich den Wettbewerb zwischen den nationalen Schwerindustrien in geordnete Bahnen lenken. Dazu wurden Zölle abgeschafft und verbindliche Marktregeln festgelegt. Sie reichten von nationalen Subventions- und Kartellverboten bis zur Steuerung der Produk­tionsmengen im Falle von «manifesten Krisen».

Klimasozialfonds

Diese Mischung von marktliberalen und interventionistischen Rezepten prägt die europäische Wirtschaftspolitik bis heute. Das jüngste Beispiel ist der europäische Green Deal. Unter dem Druck der Klimabewegung hatten die Räte beschlossen, Europa zum ersten klimaneutralen Kontinent der Welt zu machen. Dabei blieb es für einmal nicht bei billigen Sonntagsreden. Trotz knallharter Gegenwehr der globalen Öl- und Autolobby hat die EU das Emissionshandelssystem (und damit den CO2-Preis) verschärft, einen massiven Ausbau von erneuerbaren Energien beschlossen, ab 2035 die Neuzulassung von Fahrzeugen mit Verbrennermotoren verboten und die Förderung der Kreislaufwirtschaft durchgesetzt. Regionale und soziale Härten wollten die Räte mit dem «Fonds für einen gerechten Übergang» und einem «Klimasozialfonds» abfedern. Rund eine Billion Euro war für das Gesamtpaket vorgesehen. Etwa die Hälfte davon aus den öffentlichen Haushaltskassen finanziert.

Aktionsplan

So schön, so gut. Doch nach dem Rechtsrutsch bei den europäischen Wahlen 2024 sind Teile des Green Deals in Gefahr. Bereits beschlossene Gesetze werden abgeschwächt oder hinausgezögert. So zum Beispiel der Ausstieg aus dem Verbrennermotor. Auch finan­ziell hat die EU neue Prioritäten. Als Antwort auf narzisstische Tyrannen in Ost und West stocken die europäischen Länder (unkoordiniert) ihre Militärbudgets auf. Umso bemerkenswerter ist es, dass die neue EU-Kommission das Ziel eines grünen Umbaus doch nicht ganz aufgegeben hat. Ende Februar 2025 hat die Kommission einen neuen Deal für eine saubere und wettbewerbsfähige Industrie vorgestellt. Dazu gehört auch ein Aktionsplan für die Stahl- und Metallindustrie. Ähnlich wie damals mit der «Montanunion» soll die Selbstversorgung Europas mit strategisch wichtigen Rohstoffen gesichert werden. Diesmal allerdings nicht auf der Basis von Kohle. Sondern mit erneuerbaren Energien und mit der Kreislaufwirtschaft verknüpft.

Industriepolitik

Und die Schweiz? Als Zulieferer der europäischen Autoindustrie sind auch die Schweizer Stahlwerke in der Krise. Das Parlament hat deshalb im Dezember die Verbilligung der Stromkosten für Stahl- und Aluminiumfirmen beschlossen. Dieser Hauch von Industriepolitik kommt nicht annähernd an die staatlichen Rettungsschirme für UBS oder Credit Suisse heran. Trotzdem wird er von Economiesuisse & Co. als grösster Sündenfall seit Evas Apfel beklagt. Dabei zeigt der Blick nach Europa klar: In Krisenzeiten – ob durch Autokraten oder durch Umweltschäden ausgelöst – ist eine kluge Industriepolitik die bessere Antwort als Marktideologie. Der Green Deal ist deshalb noch nicht vom Tisch.

Regula Rytz schreibt hier im Turnus mit Roland Erne, was die europäische Politik bewegt.

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