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Maler Paul Filippow (42): «Jeder Arbeitstag sieht anders aus, und ich fühle mich frei»

Vom Industriemechaniker zum Maler: Paul Filippow hat seinen Berufswechsel nie bereut. Seit 10 Jahren streicht er Wände und Fassaden in und um St. Gallen. Daneben kämpft er als Unia-Mitglied für bessere Arbeitsbedingungen in seiner Branche.

MALER MIT PASSION: Paul Filippow blüht besonders bei Rennovationen auf. (Foto: Stephan Bösch)

Paul Filippow kennt alle Nuancen von Weiss und Beige. Als Maler sind sie seine ständigen Begleiter. Leuchten seine eigenen Wände vielleicht in allen bunten Farben, als Abwechslung zum weiss-beigen Arbeitsalltag? «Tatsächlich sind meine Wände zu Hause auch alle weiss», erzählt der 42jährige und lacht. Abwechslung habe er in seinem Beruf trotzdem genug.

Paul Filippow arbeitet seit 10 Jahren in St. Gallen bei der Malerei Antenen AG. Dabei kümmert er sich vor allem um Renovationen, weniger um Anstriche von Neubauten. Er sagt:

Renovationen sind für mich spannender. Ich muss genau die richtige Farbe mischen und mit verschiedensten Materialien zurechtkommen.

Das erfordere mehr Fachwissen als ein Neuanstrich. Das Fachwissen hat er sich in Deutschland während seiner Ausbildung als Kirchenmaler und Restaurator angeeignet. Alte Gemälde wieder erstrahlen lassen, mit Goldfarbe arbeiten, jahrhundertealte Kirchenmauern streichen – das sei eine sehr schöne Aufgabe gewesen. Aber Jobs für Kirchenmalerinnen und -maler sind selten, und als es den gebürtigen Deutschen 2011 in die Schweiz zog, verabschiedete sich Filippow von der Kirchenmalerei.

LIEBT VIELES AN DER SCHWEIZ: Paul Filippow will nicht nach Deutschland zurück. (Foto: Stephan Bösch)

«Ich wollte einfach mal etwas Neues sehen und mir die Schweiz anschauen. Eigentlich war mein Plan, nach ein paar Jahren wieder nach Deutschland zurückzukehren.» Doch dann kam dem Plan das Leben dazwischen: Paul Filippow verliebte sich, heiratete, gründete eine Familie und wurde in St. Gallen sesshaft. Und auch sonst ziehe ihn nichts nach Deutschland zurück. «Ich liebe die Schweiz. Du hast hier alles in nächster Nähe: die Berge, den See und das Städtische, es ist einfach wunderschön hier.» Gerade St. Gallen gefalle ihm sehr gut, eine Stadt mit allen Vorzügen, nicht zu gross und nicht zu klein.

Er klagte gegen seinen Chef

Auch was seine jetzige Anstellung betreffe, habe er Glück, erzählt Paul Filippow:

Ich habe keine 16-Stunden-Tage ohne Nacht- oder Wochenendzuschlag, keinen langen, unbezahlten Arbeitsweg zwischen Geschäft und Auftraggeber, und ich muss auch keine Gratis-Überstunden leisten.

Filippow weiss: Solche fortschrittlichen Arbeitsbedingungen sind in der Malerbranche selten – in Deutschland wie auch in der Schweiz. Als er noch in Deutschland lebte, reichte der Maler gegen seinen damaligen Arbeitgeber Klage ein, weil dieser ihm die Überstunden nicht bezahlen wollte. Filippow bekam recht. «Die Gewerkschaft war mir dabei eine grosse Hilfe.»

ENGAGIERT: Paul Filippow setzt sich für seine Kolleginnen und Kollegen ein. (Foto: Stephan Bösch)

Auch in der Schweiz trat Paul Filippow schnell in die Gewerkschaft ein und engagiert sich mittlerweile aktiv als Unia-Mitglied. So hat er etwa mit abgestimmt, welche Punkte bei den GAV-Verhandlungen wichtig sind. Er war im September 2024 in Bern, um gemeinsam mit der Unia und über 100 weiteren Malerinnen und Gipsern gegen die von Arbeitgebern geforderte ­6-Tage-Woche anzukämpfen – mit Erfolg: Kürzlich konnten bei den GAV-Verhandlungen eine Lohnerhöhung von 100 Franken sowie höhere Mindestlöhne beschlossen werden. Und die 6-Tage-Woche ist erst mal vom Tisch (work berichtete).

Natürlich freut sich Paul Filippow über diesen Teilerfolg. Zu seinen 5300 Franken brutto kann er einen finanziellen Zustupf gut gebrauchen. Allerdings seien die grössten Probleme damit nicht gelöst:

Wenn du als Malerin oder Maler krank wirst, bekommst du am ersten Tag keinen Lohn, die restlichen Krankheitstage erhältst du nur 80 Prozent. Und das bei den ohnehin tiefen Gehältern. Die meisten von uns können es sich schlicht nicht leisten, krank zu sein.

Ein weiterer wichtiger Punkt seien Ferien. «Vier Wochen pro Jahr sind für eine gesunde Erholung einfach zu wenig.» Aus diesem Grund wird Paul Filippow auch weiterhin für seine Branche kämpfen.

Mechaniker war ihm zu monoton

Vor seiner Ausbildung arbeitete der Maler als Industriemechaniker, was ihm überhaupt nicht gefiel. «Wir mussten jeden Tag um 6 Uhr anfangen und waren ständig unter Beobachtung des Chefs. Die Arbeiten waren langweilig und monoton.» Als Maler sehe jeder Tag anders aus, und er fühle sich frei. «Der Chef vertraut uns und kontrolliert nicht jeden Schritt. Ausserdem macht mir die Arbeit einfach Spass.»

ARBEITSMATERIAL: So sieht Filippos Ausrüstung aus. (Foto: Stephan Bösch)

Jeweils kurz vor 7 Uhr treffen sich alle Mitarbeitenden wochentags in der Werkstatt, wo die Aufträge verteilt werden. Paul Filippow packt das Material zusammen, das er für den Tag braucht, und fährt anschliessend los. Bei kleineren Arbeiten alleine, bei grösseren Renovationen zu zweit oder zu dritt. «Wir arbeiten oft in Mietwohnungen, das können kurze Flickarbeiten sein oder auch mehrtägige Einsätze.» Ein guter Maler besitze das nötige Fachwissen, sei geschickt, zuverlässig, gewissenhaft und sauber. «Oft hinterlassen wir die renovierte Stelle sauberer, als sie vorher war», sagt Paul Filippow und lacht.

Was er sich für seine berufliche Zukunft wünsche? «Ich träume davon, mich eines Tages selbständig zu machen.» Dann könnte er das ganze Spektrum anbieten, von Renovationen in Wohnungen und an Fassaden bis hin zur Kirchenmalerei. Arbeit wäre genug da, ist Filippow überzeugt. «Aber noch liegt das finanziell nicht drin. Ich bin zurzeit Alleinverdiener in der Familie, und unsere Tochter ist noch klein. Vielleicht in ein paar Jahren.»

Fischen und Eishockey

Paul Filippow wuchs in Olpe in der Nähe von Köln auf. «Dass ich Maler wurde, habe ich meiner Schwester zu verdanken. Sie hat mich, ohne mich vorher zu fragen, für die Ausbildung angemeldet, weil ich als Industriemechaniker nicht weiterarbeiten wollte», erzählt er und lacht. Heute ist er ihr natürlich dankbar.

Seit er vor 14 Jahren in die Schweiz gekommen sei, habe er sein Heimatland nicht wirklich vermisst, sagt Paul Filippow. Die Arbeitsbedingungen, der Lohn, die Landschaft, das Leben – alles sei in der Schweiz besser. In seiner Freizeit geht Filippow im Sommer gerne fischen, das entspannt und hilft ihm abzuschalten. Im Winter ist die ganze Familie – Paul Filippow wohnt mit seiner Frau und der gemeinsamen Tochter in St. Gallen – mit dem Hobby der bald neunjährigen Tochter beschäftigt: Eishockey.

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