Ruag:Privatisiert lebt es sich ganz ungeniert
Immer wieder wird über Privatisierung diskutiert. Jetzt hat der Bundesrat die Weichen gestellt.
Die politische Lage in Brasilien ist angespannt. Mittendrin: der eidgenössische Rüstungskonzern Ruag.
Die bundeseigene Waffenschmiede will gross ins Munitionsgeschäft mit den brasilianischen Sicherheitskräften einsteigen. Mit einer eigenen Fabrik im Bundesstaat Pernambuco. Judith Schmid, Sekretärin bei der Gruppe Schweiz ohne Armee (GSoA), warnt: «Damit sorgt die Ruag dafür, dass es in Brasilien noch mehr Tote gibt.»
Bereits heute sind die Zahlen erschreckend: Laut der Nichtregierungsorganisation «Small Arms Survey» werden in Brasilien pro Tag mehr als 190 Menschen ermordet. 2015 ging jeder fünfte Mord in Rio de Janeiro auf das Konto der Polizei. Eine, die das öffentlich anprangerte, war die Linkspolitikerin Marielle Franco. Am 14. März wurde sie in Rio de Janeiro erschossen – mit Munition aus dem Arsenal der brasilianischen Bundespolizei (work berichtete). GSoA-Sekretärin Schmid sagt: «Es ist absurd zu glauben, dass die Ruag-Munition bei den brasilianischen Behörden sicher ist.»
«Die Ruag sorgt für noch mehr
Tote in Brasilien.»
Sicher ist in Brasilien im Moment gar nichts. Normal auch nicht: Am 8. April unterbricht der TV-Sender «Globo» seinen heiligen Telenovela-Abend. Ausgerechnet, um über Politik zu berichten. Denn die bewegt die Menschen im Moment mehr als alles andere. Im Zentrum: das Schicksal des linken Ex-Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva, den hier alle nur Lula nennen. Mit 26 Stunden Verspätung stellte der sich an jenem Abend der Polizei.
Zwölf Jahre soll Lula ins Gefängnis, wegen Korruption. Unter anderem soll er eine vom Baukonzern OAS gesponserte Luxuswohnung angenommen haben. Das hat der oberste Gerichtshof entschieden. Knapp, mit 6 zu 5 Stimmen. Beweise gibt es keine, die Indizien sind umstritten. Lula sagt: «Ich bin der einzige Mensch, der für eine Wohnung verurteilt wurde, die ihm nicht gehört.» Das Urteil in letzter Instanz steht noch aus. Trotzdem erliessen die Richter umgehend einen Haftbefehl.
Hinter dieser Eile vermuten viele Brasilianerinnen und Brasilianer politisches Kalkül. Denn: Im Herbst sind Präsidentschaftswahlen. Und Lula, 72 Jahre alt und Kandidat der Arbeiterpartei (PT), schneidet in Umfragen am besten ab. Nicht erstaunlich, denn unter Lula ging es den meisten Menschen besser als vorher und nachher.
Das gefällt den Superreichen nicht. Sie wollen den ultrarechten Ex-Militär Jair Bolsonaro als Präsidenten. Und auf die Seite des grossen Geldes hat sich auch die Armee geschlagen. Sie droht mittlerweile offen mit Putsch. Der einflussreiche General im Ruhestand, Luiz Schroeder, schrieb auf Twitter: Sollte die Justiz Lula freilassen, müsse die Situation «mit Kugeln gelöst werden».
Diese Kugeln könnten den Putschisten also von der Ruag geliefert werden. Was sagt sie zu ihrer heiklen Geschäftsidee? Wenig. Auf work-Anfrage heisst es: «Wir prüfen verschiedene Szenarien.» Ein endgültiger Entscheid sei noch offen.
Die gewerkschaftsnahe Stiftung Solifonds und weitere Organisationen wollen dem Ruag-Zeitspiel ein Ende machen. Urs Sekinger von Solifonds sagt: «Angesichts der Gewaltsituation in Brasilien muss die Regierung die Ruag-Pläne stoppen.»
Möglich wäre das. Auch wenn aktuell wieder über eine Privatisierung der Ruag diskutiert wird (siehe Artikel unten).
Die Schweizer Kriegsmaterialexporte nehmen zu: 2017 verkauften Schweizer Firmen Kriegsmaterial (gepanzerte Fahrzeuge, Sturmgewehre, Granatwerfer, Munition, etc.) im Wert von rund 448,6 Millionen Franken ins Ausland. Die grössten Kunden waren Deutschland (117,7 Millionen), Thailand (87,6 Millionen) und Brasilien (32,9 Millionen). Auch 2017 landete Schweizer Kriegsmaterial in Ländern, die in bewaffnete Konflikte verwickelt sind. Darunter Saudiarabien und die Arabischen Emirate, die im Jemenkrieg eine humanitäre Katastrophe anrichten.
GROSSES JAMMERN. Ebenfalls mit Schweizer Kriegsgerät bedient wurde die Türkei. Der Nato-Staat führt im Inland und in Syrien Krieg gegen die Kurden. Insgesamt machten die Schweizer Rüstungsbetriebe gegenüber 2016 rund 35 Millionen Franken mehr Umsatz. Das ist ein Plus von acht Prozent. Trotzdem jammern die Waffenhändler, ihrer Branche gehe es schlecht. Sie fordern eine Lockerung der Exportbestimmungen. Die rechte Mehrheit des Bundesrats (Schneider-Ammann, Parmelin, Maurer, Cassis) kommt ihnen entgegen. Die entsprechende Verordnung soll demnächst angepasst werden.
Früher waren es Söldner, die die Kantone ins Ausland verkauften und viel Geld und Vergünstigungen erhielten. Heute machen wir uns nur noch mit Waffenlieferungen die Finger dreckig. Gegen die vereinfachten Exporte müssen wir uns wehren.