Arbeiten bis zur Erschöpfung und ein cholerischer Chef: Jetzt wehren sich Spitex-Pflegerinnen im zürcherischen Illnau-Effretikon.
SIE LASSEN SICH NICHT UNTERKRIEGEN: (von links nach rechts) Jessica Ehrat, Natalie Dohner und Sonja Wolfer. (Foto: ZVG)
Sechs Tage arbeiten, einen Tag frei, sechs Tage arbeiten: Das sei häufig vorgekommen, sagt Jessica Ehrat. Die 30jährige hat bis vor kurzem bei der Spitex Kempt in der Nähe von Zürich gearbeitet.
Genauso wie Natalie Dohner. Diese traf es sogar noch härter: Einmal musste sie neun Tage am Stück arbeiten. Das ist laut Gesetz nicht erlaubt. Unia-Mitglied Dohner sagt: «Ich war fix und fertig. Es war reines Glück, dass mir bei den Menschen, die ich betreuen musste, kein schlimmer Fehler unterlaufen ist.»
Die Spitex Kempt ist als Verein organisiert. Sie arbeitet im Auftrag der Gemeinden Illnau-Effretikon und Lindau ZH. Die krasse Arbeitsbelastung hat Folgen, wie Daniel Gähwiler von der Unia Zürich-Schaffhausen weiss. Er steht mit den Pflegerinnen in Kontakt. Gähwiler sagt: «Mehrere Angestellte sind wegen Erschöpfung oder Burnout krank geschrieben.»
KLIMA DER ANGST. Das Klima bei der Spitex Kempt ist schlecht. Der Chef neigt zu Wutausbrüchen und regiert mit fiesen Tricks. Ein Beispiel: Eine Teamkollegin redete schlecht über Natalie Dohner. Der Betriebsleiter erfuhr davon und setzte eine Teamsitzung an. Was dort geschah, beschreibt Dohner als erniedrigendes Erlebnis: «Jedes Teammitglied musste öffentlich darüber abstimmen, ob mir gekündigt werde oder nicht.» Die überwältigende Mehrheit stellte sich hinter Dohner.
Kurz darauf erfuhr auch Jessica Ehrat, dass der Betriebsleiter bei ihr ähnliches plane: «Als ich bei ihm nachfragte, erhielt ich sofort die Kündigung.» Jetzt wehrt sie sich juristisch gegen die Entlassung.
Mit einem Brief an die Spitex-Leitung und einer Aktion vor der Geschäftsstelle machte die Pflegerinnengruppe auf die Probleme aufmerksam. Doch der Spitex-Vorstand hält am umstrittenen Betriebsleiter Andreas Risch fest. Der wollte keine Fragen von work beantworten. Teilt aber mit, dass inzwischen 56 von 66 Mitarbeitenden einen Brief unterzeichnet hätten, der sich von den Vorwürfen der Gruppe distanziere. Laut Unia-Mann Daniel Gähwiler war der Druck auf die Angestellten enorm: «Wir haben unseren Mitgliedern geraten, den Brief ebenfalls zu unterzeichnen, da ihnen im Betrieb sonst massive Repression drohe.» Spitex-Kadermann Samuel Brélaz räumte den Druck von oben ein: Es sei «nicht auszuschliessen», dass Mitarbeitende «aus Loyalitätsdruck» unterschrieben hätten, sagte er in der Lokalzeitung «Landbote».