Immer mehr Länder und Städte machen wirklich vorwärts mit der Lohngleichheit.
ERLEUCHTUNG: Die Unia-Frauen fordern mit der Projektion am Bundeshaus Lohngleichheit, drinnen diskutiert die Kommission des Ständerates darüber. (Foto: Manu Friederich / Unia)
Zum Beispiel Kanada: Soeben ist in der Provinz Ontario ein neues Lohntransparenzgesetz in Kraft getreten. Zu Ontario gehört auch die kanadische Grossstadt Toronto. Nun müssen dort die Firmen in den Stelleninseraten die Lohnspanne für jeden Job publizieren.
Frauenrechtsanwältin Fay Faraday sagt zu work: «Transparenz ist der wichtigste Schritt zur Lohngleichheit.» Faraday beschäftigt sich schon ihr ganzes Arbeitsleben mit Lohnklagen. Sie erklärt: «Solange die Firmen nicht dazu gezwungen werden, zahlen sie den Frauen nicht mehr Lohn. Schliesslich ist die Lohndiskriminierung für sie profitabel.» Ohne Druck passiere rein gar nichts. Das neue Gesetz, für das Faraday sich auch politisch engagiert hat, freut sie deshalb. Aber zufrieden ist die Anwältin noch nicht: «Das Gesetz geht zu wenig weit.» Zuerst wird das neue Transparenzgesetz bei den öffentlichen Diensten eingeführt. Die Einführung in der Privatwirtschaft erfolgt später, zuerst bei Firmen mit über 500, dann auch bei jenen mit über 250 Angestellten.
Dass sich ohne politischen Druck fast nichts verändert, zeigen auch die Statistiken. In Europa verdienen die Frauen immer noch zwischen 5 und 25 Prozent weniger für die gleiche Arbeit als die Männer. Doch geht diese Lohnlücke in jenen Ländern zurück, die etwas dagegen tun.
WER WILL, KANN ES
In Schweden zum Beispiel gibt es seit 1994 Vorschriften gegen Lohndiskriminierung. Und seit 2009 ist ein strenges Antidiskriminierungsgesetz in Kraft. Es verpflichtet Firmen mit über 25 Mitarbeitenden, die Löhne alle drei Jahre zu überprüfen und einen Lohngleichheitsplan zu erstellen. Damit ist es Schweden gelungen, die Lohnlücke auf ungefähr 14 Prozent zu senken.
«Ohne Druck passiert gar nichts.»
Davon können die Frauen in der Schweiz nur träumen. Der Bundesrat möchte Unternehmen mit mehr als 100 Beschäftigten zwar Kontrollen unterstellen, aber ohne Sanktionen. Und trotzdem laufen die Rechten dagegen Sturm. Den zahnlosen Vorschlag hat der Ständerat kürzlich an die zuständige Kommission zurückgewiesen. In der Schweiz verdienen die Frauen im Schnitt rund 20 Prozent weniger als die Männer.
Am ungerechtesten sind die Löhne im Kanton Jura. Dort verdienen die Frauen durchschnittlich sogar 23 Prozent weniger. Das kann die Gewerkschafterin Marie-Hélène Thies (60) nicht akzeptieren. Sie hat einen Plan: «Spätestens wenn meine Enkelin ins Erwerbsleben tritt, muss es Lohngleichheit geben», hat sich die Unia-Frau geschworen.
PARIS UND REYKJAVÍK
Und sie hat mitgeholfen, eine kantonale Lohngleichheitsinitiative zu lancieren. Thies: «Die Unterschriften kamen schnell zusammen.» Am diesjährigen Internationalen Frauentag, am 8. März, hat die Unia Transjurane die Lohngleichheitsinitiative in Delémont eingereicht (work berichtete). Sie verlangt ein kantonales Gesetz, welches das nationale Gleichstellungsgesetz ergänzen und konkretisieren soll. Thies: «Das Gesetz muss regeln, wie die Löhne der Frauen ganz konkret an die Männerlöhne angeglichen werden sollen. Also die Umsetzung der Lohngleichheit. Diese regelt der Gleichstellungsartikel in der Bundesverfassung nämlich nicht.»
Gewerkschafterin Thies ist gebürtige Französin. Ihre alte Heimat ist für sie in Sachen Lohngleichheit ein Vorbild. Zu Recht: Die Arbeitsministerin Muriel Pénicaud hat sich mit Verve für ein fortschrittliches Lohngleichheitsgesetz eingesetzt. Es tritt 2019 in Kraft und verpflichtet alle Firmen mit über 250 Mitarbeitenden, dass sie geschlechterspezifische Lohnunterschiede innert dreier Jahre beseitigen. Dafür müssen sie eine spezielle Software installieren, die an die Lohnbuchhaltung gekoppelt ist und die Lohndiskriminierung herausfiltert. Später soll das Gesetz ausgeweitet werden auf kleinere Firmen.
Dieses Gleichstellungsprogramm hat Island bereits hinter sich. Mit Erfolg: Das kleine Land im hohen Norden führt die Gleichstellungsrangliste schon seit Jahren an. Seit dem 1. Januar 2018 müssen in Island alle Firmen mit über 25 Mitarbeitenden ihre Löhne überprüfen und beweisen, dass sie die Frauen nicht diskriminieren. Auch im Elektrizitätswerk von Reykjavík. Es ist eines der frauenfreundlichsten Unternehmen der Welt. work hat mit Personalchefin Sólrún Kristjánsdóttir gesprochen (siehe unten).