Jede Berufsfrau wird in ihrem Arbeitsleben um volle 303’000 Franken betrogen. Bloss weil sie eine Frau und kein Mann ist und deshalb weniger Lohn erhält. Das zeigen brisante Berechnungen, die work beim Büro BASS in Auftrag gegeben hat.
PARDIESISCH: Strand Anse Lazio auf der Insel Praslin, Seychellen. (Foto: iStock)
Türkisblaues Wasser, kilometerlange Sandstrände und sommerliche Temperaturen das ganze Jahr über: Die Seychellen sind das Paradies. Statt Massentourismus locken Villen mit Meerblick, ein Liegestuhl unter Palmen und ein kühler Drink in der Hand. Entspannung pur!
Leisten können sich Ferien auf der Trauminsel im Indischen Ozean aber nur wenige. Denn gut 6000 Franken pro Woche kostet so ein Urlaub schon. Doch genau das könnte sich jede Berufsfrau gönnen, wenn die Lohndiskriminierung endlich beseitigt wäre. Und zwar jedes Jahr!
DER BSCHISS IN ZAHLEN
Jede Arbeitnehmerin in der Privatwirtschaft wird pro Jahr im Schnitt um genau 7000 Franken geprellt. Das zeigen die Berechnungen der Expertinnen des Berner Büros für arbeits- und sozialpolitische Studien (BASS)*. work wollte von ihnen wissen: Wie viel Lohn fehlt berufstätigen Frauen in der Schweiz, schlicht und einfach weil sie Frauen sind?
Herausgekommen sind fast unfassbare Zahlen:
- Jeder Berufsfrau werden pro Monat volle 590 Franken vorenthalten.
- Das sind ganze 7000 Franken pro Jahr.
- Auf ein ganzes Frauenarbeitsleben von 43 Jahren umgerechnet, beträgt die Lohnlücke im Minimum 303’000 Franken.
- Gesamthaft werden die berufstätigen Frauen in der Schweiz jährlich um fast 10 Milliarden Franken geprellt. Das entspricht mehr als 240’000 Goldbarren à 1 Kilo. Oder 22 Kampfjets des Typs Gripen.
Ohne Lohnklau lägen die Luxusferien also locker drin, Taschengeld inbegriffen. Oder soll es lieber einmal im Monat ein Wellnesswochenende sein? Auch kein Problem. Im Budget drinliegen würde auch eine wöchentliche Putzkraft, selbstverständlich zu einem anständigen Lohn und korrekt bei den Sozialversicherungen angemeldet. Und: Natürlich gibt es auch andere Wünsche und Bedürfnisse. So oder so: Der Batzen wäre sicher hilfreich. Frau könnte mit dem Geld, um das sie ihr ganzes Arbeitsleben lang geprellt wird, auch einfach 3,5 Jahre freimachen. Und sie hätte trotzdem jeden Monat mehr als 7000 Franken in der Tasche.
Die Firmen profitieren direkt vom Lohnklau.
OHNE DRUCK GEHT NICHTS
590 Franken pro Monat, 7000 im Jahr, 303’000 Franken in einem ganzen Arbeitsleben: Diese Zahlen zeigen den monströsen Lohnbschiss, von dem die erwerbstätigen Frauen in der Schweiz betroffen sind. Und diese Beträge sind lediglich jener Teil des Lohnunterschieds, der nicht durch objektivierbare Faktoren, zum Beispiel geringere Qualifikation, Anzahl der Berufsjahre usw., erklärbar ist. Also der Teil, den eine Frau nur deshalb weniger verdient, weil sie eine Frau ist.
Insgesamt beträgt der Lohngraben zwischen Frauen und Männern immer noch rund 20 Prozent. Und dies mehr als fünfunddreissig Jahre nach dem Gleichstellungsartikel in der Bundesverfassung, der Lohngleichheit vorschreibt. Und mehr als zwanzig Jahre nach dem Gleichstellungsgesetz.
Ohne politischen Druck werden die Firmen diese Ungerechtigkeit sicher nicht aus der Welt schaffen. Denn sie profitieren ganz direkt von den niedrigeren Frauenlöhnen. Die Politik ist hier also gefragt.
WARTEN BRINGT NICHTS
Die Lohndiskriminierung hat leicht abgenommen, die Lohnlücke ist insgesamt kleiner geworden. Das zeigt der Vergleich mit den Zahlen von 2011. Schon damals liess work die Lohnunterschiede zwischen Mann und Frau in Franken und Rappen beim Büro BASS berechnen.
Die BASS-Expertin Silvia Strub erklärt: «Die Erwerbsbeteiligung der Frauen ist höher, und es sind mehr weibliche Angestellte in Kaderpositionen als noch vor einigen Jahren. Ausserdem sind die Löhne generell gestiegen, auch in den unteren Bereichen. Das wirkt sich positiv aus.» Die Mindestlohnkampagnen der Gewerkschaften zeigen also Wirkung. Einfach darauf warten, dass sich der Lohnunterschied irgendwann in Luft auflöst, können wir trotzdem nicht. BASS-Expertin Strub betont nämlich: «Dass die Diskriminierung kleiner geworden ist, liegt auch an der Verstärkung von Kontrollen.» Solche gibt es bisher im Beschaffungswesen des Bundes. Dabei müssen sich Unternehmen, die sich einen Bundesauftrag sichern wollen, einer Lohnanalyse unterziehen. Immerhin hat der Ständerat jetzt beschlossen, dass auch private Unternehmen mit mehr als 100 Angestellten künftig Kontrollen durchführen sollen (siehe Artikel unten). Es ist ein Mini-Schrittchen.
Eines ist klar: Gleiche Löhne
kommen nicht «einfach so».
BANKEN UND BONI
Interessant ist die Lohnlücke auch im Branchenvergleich. Grundsätzlich gilt: Je mehr Frauen in der Branche, desto kleiner sind die Lohnunterschiede. Das belegen auch die BASS-Berechnungen. Dennoch klaffen auch dort Lücken. Etwa im Detailhandel. Dort stellen Frauen zwei Drittel des Personals, verdienen trotzdem durchschnittlich 18,6 Prozent weniger als Männer. Besser ist es im Gastgewerbe, mit 9,3 Prozent.
Besonders krass ist die Ungleichheit hingegen bei den Banken und Versicherungen. Dort verdienen die Frauen durchschnittlich 33,2 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen. Das hat insbesondere auch mit den Boni zu tun: je Mann, desto Boni (siehe Artikel unten). Auch in der Maschinenindustrie ist der Lohngraben gross: Dort bekommen Frauen im Schnitt 23,9 Prozent weniger Lohn.
Es bleibt also noch viel zu tun. Geht es nämlich im gleichen Schneckentempo wie bisher weiter, dauert es noch mindestens 60 Jahre bis zur Lohngleichheit. Wer weiss, ob die Seychellen dann überhaupt noch existieren. Die Klimaerwärmung könnte schneller sein.
* Die Berechnungen stützen sich auf Zahlen des Bundesamts für Statistik (BfS). Gerechnet wird mit Durchschnittslöhnen. rebrand.ly/zahlen.