Die neuste Bundessteuer-Statistik zeigt es deutlich: Die Reichsten in der Schweiz werden immer reicher. Unterdessen besitzt das reichste Prozent der Steuerzahlenden fast 42 Prozent des gesamten Vermögens. Das sind über 730 Milliarden Franken und ein neuer Rekord. Die anderen 99 Prozent müssen sich in den Rest teilen. Auf der unteren Stufe der Wohlstandspyramide sieht es ganz anders aus. Die Anzahl jener, die Sozialhilfe beanspruchen müssen, und auch ihr Anteil an der Bevölkerung haben seit 2010 deutlich zugenommen. Die Sozialhilfequote stieg von 3 auf 3,3 Prozent. Grund für den nochmaligen Anstieg im Jahr 2016 waren übrigens nicht ausschliesslich die höheren Flüchtlingszahlen. Die Zahlen gingen bei Schweizerinnen und Schweizern ungefähr gleich stark nach oben.
(Quelle: BFS, Sozialhilfestatistik und Statistik über Armut und materielle Entbehrung (SILC))
ARM TROTZ JOB. Noch stärker zugenommen haben die Working Poor, und dies vor allem in den Jahren 2015 und 2016. Das sind jene Menschen, die trotz Erwerbsarbeit arm sind. Seit 2010 ist die Quote der Erwerbstätigen, die armutsgefährdet sind, von 3,4 auf 4,5 Prozent gestiegen. Rund 150 000 Personen erzielen trotz Arbeit kein existenzsicherndes Einkommen. Das betrifft vor allem auch Familien, in denen rund 50’000 Kinder in Armut aufwachsen.
BESCHÄMEND. Im internationalen Vergleich ist der Anteil der Sozialhilfebeziehenden und der armen Erwerbstätigen zwar nicht besonders hoch. Aber wir leben in einem Land, in dem sich in den letzten 10 Jahren die Anzahl Personen, die über 10 Millionen Franken besitzen, verdoppelt hat. Und es ist beschämend, wenn einige Privilegierte in diesem Ausmass reicher werden und gleichzeitig die Armut nicht ab-, sondern zunimmt.
Die Politik reagiert darauf nicht, indem sie die Ursachen bekämpft, nämlich die ungerechte Einkommens- und Vermögensverteilung. Im Gegenteil, es werden neue Steuerschlupflöcher für Reiche und Unternehmer geschaffen, während die Sozialhilfe gekürzt und bei den Sozialwerken gespart wird.
Hans Baumann ist Ökonom und Publizist.