Gratisarbeit, Altersarmut, Gewalt: Die Frauen haben die Nase gestrichen voll. Am 22. September gehen sie deshalb in Bern auf die Strasse. Und nächsten Juni in der ganzen Schweiz – zum Frauenstreik.
FAKE-BART: Mit Bärten gegen Lohnungleichheit. Aktion der Unia auf dem Bundesplatz. (Foto: Keystone)
Manche machen es so: Sie streichen sich die Tage im Kalender durch, bis das grosse Ereignis endlich da ist. Der Geburtstag zum Beispiel oder das Wiedersehen mit den Liebsten. Am 14. Juni 1981 wurde die Gleichstellung zwischen Mann und Frau in der Bundesverfassung verankert. Wäre damals eine Frau auf die Idee gekommen, die restliche Zeit bis zur Lohngleichheit zu zählen: Sie hätte mittlerweile fast 14’000 Tage abgehäkelt. Jeder davon ein Verfassungsbruch.
LOHNBSCHISS. Frauen verdienen immer noch weniger als Männer. Durchschnittlich 590 Franken pro Monat, rund 7000 Franken im Jahr. Weil Frau halt Frau ist und kein Mann. Das hat das Berner Büro für arbeits- und sozialpolitische Studien (BASS) exklusiv für work berechnet (rebrand.ly/work-Studie).
Und die Politik bummelt weiter. Zwar hat der Ständerat nach langem Hin und Her entschieden, dass sich Unternehmen mit mehr als 100 Beschäftigten alle vier Jahre einer Lohnanalyse unterziehen sollen. Das betrifft aber nur 1 Prozent aller Betriebe. Und Sanktionen haben die fehlbaren Unternehmen nicht zu befürchten.
Das Geschäft kommt nun in den Nationalrat und wackelt: FDP und SVP lehnten es in der zuständigen Kommission geschlossen ab. Es ist also nicht ausgeschlossen, dass die Rechten die Lohnkontrollen bachab schicken. Unia-Geschäftsleitungsmitglied Corinne Schärer sagt: «Kippt das Gesetz, ist das ein Affront. Kommt es durch, hat Frau trotzdem wenig zu feiern.»
FRAUENFRÜHLING. Kein Wunder, haben die Frauen die Nase voll. Am 22. September gehen sie auf die Strasse. Ein breites Bündnis aus Gewerkschaften, Parteien und Frauenorganisationen ruft zur grossen Lohngleichheits-Demo. Mehr noch, in Lausanne und Genf, im Wallis und in Basel, in Bern und in Zürich haben Frauen bereits beschlossen: Am 14. Juni 2019 kommt der zweite Frauenstreik der Schweiz.
Wir haben Frauenfrühling – und das im Herbst. Denn es geht längst nicht nur um Lohngleichheit. Sondern auch um die unbezahlte Hausarbeit. Um Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Um verbale und physische Gewalt gegen Frauen. Um Armut im Alter und blöde Anmache im Ausgang. Die Anliegen sind so vielfältig wie die Frauen selbst. Über hundert sitzen schon in den kantonalen Streikkomitees. Es sind Berufstätige und Hausfrauen, Rentnerinnen und Studentinnen. Und laufend werden es mehr. work bleibt dran.