Stur wie eine Eselin
Die Wahrheit ist ja bekanntlich ein stark umworbenes, kostbares Gut. Und sieht je nach Blickwinkel sehr unterschiedlich aus.
Bern ist einfach gut: Nein zur SVP-Selbstbestimmungsinitiative, Nein zu den Schlafzimmerspionen und nochmals Nein zu Steuergeschenken für Grossunternehmen. Damit hat die Hauptstadt am letzten Abstimmungswochenende einmal mehr bewiesen: Links von Bern ist nichts. Keine Deutschschweizer Stadt wählt und stimmt vernünftiger als die Aarestadt. Und schon gar nicht Zürich, dessen Journis so gerne auf das oh-wie-uncoole Bern runterpinkeln. Tatsächlich hechelt Zürich Zürich-West Nasenlängen hinterher: Das war bei der Billag-Abstimmung so, bei der erleichterten Einbürgerung der 3. Generation, bei der Atomausstiegsinitiative, bei der Durchsetzungsinitiative und bei der «Keine Spekulation mit Nahrungsmitteln»-Initiative sowieso. Bern nahm diese im Unterschied zu Zureich nämlich an.
Bern ist einfach gut.
Dabei war der Berner Mutz Jahrzehnte obrigkeitsgläubig unterwegs, bhäbig und schwer bürgerlich. Die Rot-Grünen übernahmen erst 1992. Dann aber für immer. Immer noch darfs äs bitzeli mee sii, wie bei den letzten Wahlen. Sowohl in der Regierung als auch im Stadtparlament gab es damals einen Linksrutsch. Und jetzt, wo die Metropole auch noch die Steuergeschenke für Konzerne versenkt hat, setzt sie ein Zeichen für die ganze Schweiz. Das zeigt work-Autor Clemens Studer in seiner Analyse. Von Bern lernen, heisst eben siegen. Auch beim Fussballstadion: Grüezi, Züri!
CIRILLO WHO? Fragt mich doch unser Pöstler kurz nach der Präsentation des neuen Post-CEO Roberto Cirillo: «Warum berichtet eigentlich der ‹Blick› kritischer über diesen McKinsey-Bruder als meine Gewerkschaft?» Da konnt’ ich nur sagen: «Gute Frage!» Aber dann musste der Pöstler, der übrigens nur einmal geklingelt hatte, schon ein Haus weiter, von wegen Zeitdrucks. Und weg war er. Ebenso weg, wie es sein neuer oberster Chef Cirillo bei der Bekanntgabe der baldigen Inthronisierung war. Post-Präsident Urs Schwaller fand es nicht einmal nötig, eine Medienkonferenz einzuberufen. So rieben sich denn alle die Augen und fragten: «Cirillo who?» Und der ehemalige Logistikchef bei der Gewerkschaft unseres Pöstlers, Fritz Gurtner, notierte konsterniert auf Facebook: «Wie bitte? Da wird einer neuer Postchef und gibt keine Interviews. Hallo – Service public?» Nun, work hat recherchiert und herausgefunden: Die französischen Gewerkschaften werfen dem Catering-Giganten Sodexo, wo Cirillo Generaldirektor war, Tieflöhne und Menschenrechtsverletzungen in Übersee vor (siehe: «Garantiert der Falsche»). Nicht gerade beruhigend für die 60’000 Postangestellten in der Schweiz.