Einstimmig und mit Applaus hat der SGB-Kongress beschlossen: Am 14. Juni 2019 kommt der zweite Frauenstreik. Dafür sollen die Gewerkschaften ihre Kräfte bündeln.
FRAUENDEMO AUF DER BÜHNE: «Frauen in die Offensive! Feministischer Streik!» (Foto: Neil Labrador)
Am zweiten Kongresstag gaben sie den Ton an: die Gewerkschaftsfrauen. «Frauenstreik, Frauenstreik», riefen die weiblichen Delegierten, die da längst nicht mehr auf ihren Plätzen sassen, sondern mit Schildern und Fahnen die Bühne besetzten. Damit es auch noch dem letzten im Saal klar wurde: sie meinen es ernst.
IN DIE BETRIEBE, AUF DIE STRASSE. Schon seit Monaten sprechen die Frauen über einen neuen Streik. Überall in der Schweiz bilden sie Streikkomitees (work berichtete: rebrand.ly/der-frauenstreik-kommt). Und die Gewerkschaftsfrauen auch schon auf nationaler Ebene. Nach der mächtigen Gleichstellungsdemo im September mit 20’000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern entschieden die Unia und der VPOD: Am 14. Juni 2019 kommt der Frauenstreik.
Jetzt musste nur noch der Gewerkschaftsbund folgen. Die Unia und der VPOD hatten am Kongress einen entsprechenden Antrag gestellt. VPOD-Präsidentin Katharina Prelicz-Huber fasste zusammen: «Wir wollen endlich, was uns zusteht.» Das heisst: Lohngleichheit, gleicher Lohn für gleiche Arbeit und eine Aufwertung der Frauenberufe. Aber auch: das Ende von Gewalt, Sexismus und Armut, von der mehrheitlich Frauen betroffen sind.
«Wir wollen endlich, was
uns zusteht.» (Katharina Prelicz-Huber, Präsidentin VPOD)
23 Jahre Gleichstellungsgesetz haben die Diskriminierung nicht beendet. Auch wenn das Gesetz die grosse Errungenschaft des ersten Frauenstreiks ist. Wären am 14. Juni 1991 nicht über eine halbe Million Menschen auf die Strasse gegangen, hätte die Politik noch länger gebummelt. Nur: Mit der Umsetzung geht’s bis heute nicht vorwärts. Für Unia-Zentralsekretärin Corinne Schärer ist klar: «Die Politik will nicht.» Wie zum Beispiel bei der Revision des Gleichstellungsgesetzes. Fünf Jahre wurde daran gearbeitet, ursprünglich zur besseren Durchsetzung der Lohngleichheit. Herausgekommen ist ein zahnloses Minigesetz, das nicht einmal ein Prozent aller Unternehmen zur Lohnanalyse verpflichtet, keine Sanktionen vorsieht und auf zwölf Jahre befristet ist.
Am Kongress sagte Schärer, die bei der Unia den Frauenstreik organisiert: «Wenn die Politik nicht Beschlüsse fasst, um die Gleichstellung voranzutreiben, dann müssen wir in die Betriebe, dann müssen wir auf die Strasse. Und wenn die Arbeitgeber in den Betrieben die Lohngleichheit nicht einhalten, die Frauenlöhne nicht erhöhen, die Vereinbarkeit nicht fördern, sexuelle Belästigung nicht verhindern – dann müssen wir streiken.» Das sahen auch die Delegierten so. Einstimmig und unter Applaus beschlossen sie den Frauenstreik. Und darüber hinaus, dass der SGB ein starkes Streiksekretariat schaffe. Ausgestattet mit personellen und finanziellen Ressourcen. Als erste gefordert hatte das Frauenstreik-Ikone Christiane Brunner. Im work-Interview im Oktober sagte sie: «Wenn der SGB den Streik ernst nimmt, muss er ein Streiksekretariat aufbauen, das sich voll und ganz um die Organisation und Mobilisation kümmert.» Ex-SGB-Co-Präsidentin Brunner weiss, wie wichtig das ist. Sie hat 1991 den Frauenstreik für die Gewerkschaften angeführt. Mit Erfolg.
So soll es auch dieses Mal sein. Doch: Ein Streiksekretariat alleine genügt noch nicht. Das machte Unia-Chefin Vania Alleva am Kongress deutlich. Sie rief die einzelnen Gewerkschaften dazu auf, ihre Kräfte für den Frauenstreik einzusetzen. Alleva: «Wir müssen in die Betriebe, wo die Frauen sind. Wir müssen sie informieren, sie mitnehmen, so dass sie am 14. Juni gemeinsam mit anderen Frauen hinstehen, für die Lohngleichheit, für die Gleichheit und gegen Sexismus.»
FRAUENJAHR. In der Unia wird jetzt geprüft, wie die Regionen ihre Ressourcen zum Frauenstreik verschieben können und welche Branchen als Schwerpunkte gesetzt werden. Nach dem Kongress ist nun auch der Gewerkschaftsbund gerüstet. Die Einrichtung des Streiksekretariats läuft bereits. Das Frauenjahr 2019 kann kommen.