Andreas Rieger
Die bevorstehenden Wahlen des europäischen Parlaments sind für die Sozialdemokraten eine Zitterpartie. Bisher stellen sie mit 25 Prozent der Sitze die zweitgrösste Fraktion, doch nun drohen Verluste. In verschiedenen europäischen Ländern mussten sie schon für die Spar- und Deregulierungspolitik bezahlen, die sie nach der Krise von 2008 vertreten hatten. So wurde zum Beispiel in Italien der Partito Democratico unter dem Blender Matteo Renzi im Frühling 2018 abgestraft. Bei den europäischen Wahlen im Mai 2019 dürfte sich dieses Phänomen wiederholen. Absurderweise haben die europäischen Sozialdemokraten Frans Timmermanns zu ihrem Spitzenkandidaten erkürt, einen prominenten Vertreter ebendieser neoliberalen SP-Politik. Peter Scherrer vom Europäischen Gewerkschaftsbund (EGB) sagt: «Timmermanns stand in sozialen Fragen oft rechts von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker.»
SP-KAMPAGNE. Kürzlich tagte nun der Kongress der europäischen Sozialdemokraten in Lissabon. Hier gaben attraktivere Exponenten den Ton an, so der spanische Regierungs- und Sozialistenchef Pedro Sánchez und sein portugiesisches Pendant António Costa. Der Kongress beschloss ein Wahlprogramm, das die Rechte der Arbeitenden stärken will und Arbeitsplätze schaffen sowie die Wirtschaft ökologisch umbauen soll. Eine Art Programm also für ein soziales Europa. EGB-Gewerkschafter Scherrer befürchtet nun allerdings, dass das nicht gut ankommt bei den Leuten. Denn von solchen Versprechen sind sie in den letzten Jahrzehnten zu oft enttäuscht worden.
Auf Sitzgewinne können
die Grünen hoffen.
GRÜNE UND LINKE. Auf Sitzgewinne können die europäischen Grünen hoffen, die derzeit etwa 7 Prozent der Sitze haben und eng mit dem Europäischen Gewerkschafsbund zusammenarbeiten. Dies gilt auch für die gleich grosse «Vereinte Fraktion der Linken». In ihr sind die Parteien links der SP zusammengefasst. Sie hoffen in mehreren Ländern auf Zuwachs, so etwa in Frankreich mit der Bewegung «La France insoumise» von Jean-Luc Mélenchon. Aber in anderen Ländern müssen die Linken auch mit Verlusten rechnen.
So oder so ist es für die europäischen Gewerkschaften wichtig, dass die sozialen Kräfte im neuen Parlament erstarken und nicht vor allem die äussere Rechte zulegt.
Andreas Rieger war Co-Präsident der Unia. Er ist in der europäischen Gewerkschaftsbewegung aktiv.