Ein vergessener Skandal: Die Schweiz deckte jahrelang den Mörder von Rosa Luxemburg.
REUELOS. Waldemar Pabst hatte am 15. Januar 1919 die Tötung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht befehligt. Später lebte er unbehelligt in der Schweiz. (Foto: Keystone)
Sie warfen die Leiche in den Berliner Landwehrkanal. Zwei Schergen der Garde-Kavallerie-Schützen-Division brachten die Sozialistin Rosa Luxemburg am 15. Januar 1919 brutal um. Der wahre Mörder war aber Waldemar Pabst, der Chef dieses Elite-Freikorps. Pabst hatte die Tötung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht veranlasst. Und zwar unter Billigung des damaligen Wehrministers Gustav Noske (SPD), genannt «Bluthund». Nie wurde Pabst dafür zur Rechenschaft gezogen.
Waldemar Pabst (1880–1970) gilt als Schlüsselfigur der deutschen Gegenrevolution. Er war Offizier, Waffenhändler und Strippenzieher im Rechtsextremismus. Vergeblich putschte er 1923 gegen die Weimarer Republik. Nach Hitlers Machtergreifung baute er seinen Einfluss aus. Für Hitler organisierte er den Import verbotener Rüstungsgüter. Unter anderem aus der Schweiz mit einer Tarnfirma namens Sfindex in Sarnen OW. Besonders scharf war Pabst auf hochpräzise Werkzeugmaschinen. Auch in der von Deutschen gegründeten Waffenfabrik Solothurn war er aktiv.
Pabst war mit der Schweizer Wirtschaftselite verbandelt.
MÄCHTIG. Die Historikerin Doris Kachulle sagt: «Pabst war eine wichtige Scharnierfigur zwischen der deutschen und der Schweizer Kriegswirtschaft.» Dass er unbehelligt blieb, hatte politische und wirtschaftliche Gründe. Pabst war mit der Schweizer Wirtschaftselite verbandelt. Er hatte auch beste Kontakte zu Schweizer Rechten, allen voran zu Eugen Bircher. Der fanatische Militarist, Organisator von Bürgerwehren und Mitbegründer der SVP reiste schon kurz nach dem Landesstreik von 1918 nach Berlin, um sich bei Pabst zu informieren, wie man linke Revolutionen niederschlage. Waldemar Pabst sass oft mit Bircher an der Zürcher Bahnhofstrasse in der Kanzlei des Staranwalts Conrad Wespi, um lukrative Geschäfte abzuwickeln. Mit Wirtschaftsminister Walther Stämpfli (FDP) und Bundespolizeichef Werner Balsiger hatte Pabst weitere mächtige Schutzherren zur Hand. Diese deckten ihn, als die SP-Zeitung «Volksrecht» 1943 herausfand, dass der Luxemburg-Mörder und «Putschmajor» in der Schweiz lebte. Unter Druck geraten, verfügte Justizminister Eduard von Steiger formell seine Ausweisung. Aber es passierte einfach nichts.
REICH. Pabst residierte in einer Villa in Meggen LU und konnte bis nach Kriegsende in der Schweiz bleiben. Zu mächtig waren seine Freunde. Erst später kehrte er ins Adenauer-Deutschland zurück. Und blieb unbehelligt. Bis ans Lebensende: Er starb 1970 als wohlhabender Mann.