So viel haben Frauen weniger im Alter als Männer
Die Frauen-Renten-Lücke

Beim Lohn ist es bekannt, bei der Altersvorsorge kaum: Das Geschlecht bestimmt mit, wer wie viel hat. Frauen in der Schweiz bekommen im Durchschnitt 37 Prozent weniger Rente als Männer. 2012 machte das 19’585 Franken aus, pro Jahr und pro Frau. work zeigt, woran es liegt.

FRAUENRENTE: 37 Prozent weniger Rente, das machte 2012 ganze 19’585 Franken aus, pro Jahr und pro Frau. (Quelle: Robert Fluder, Renate Salzgeber: Das Rentengefälle zwischen Frauen und Männern, Studie im Auftrag des Bundesamtes für Sozialversicherungen / Grafik: TNT Graphics)

Der Rente zuliebe sollte Frau ledig bleiben, sich scheiden lassen oder Witwe werden. Was zynisch klingt, ist statistisch verbürgt: Jeder Zivilstand ist für eine Frauenrente besser als die Ehe. Das zeigt die Studie «Gender Pension Gap in der Schweiz, Geschlechterspezifische Unterschiede bei den Altersrenten», die 2016 erschienen ist. Im Auftrag des Bundes untersuchten Wissenschafterinnen erstmals, wie gross die Renten­unterschiede zwischen Mann und Frau sind. Bis heute ist es die einzige Studie zur Frauen-Renten-Lücke in der Schweiz. Während der Bund alle zwei Jahre neue Zahlen zur Lohngleichheit publiziert, ist die Frage nach dem Zusammenhang von Geschlecht und Rente kaum je Thema.

Jeder Zivilstand ist für eine Frauenrente besser als die Ehe.

KINDER UND KÜCHE

Dabei gilt auch bei der Rente: Das Geschlecht macht den Unterschied. Besonders dann, wenn es um Ehe und Kinderkriegen geht. Beides ­verschlechtert die Altersvorsorge einer Frau markant: Verheiratet hat sie im Schnitt ganze 47 Prozent weniger Rente als ihr Ehemann. Und Mütter verlieren bis zum Pensionsalter 25 Prozent ihrer Gesamtrente.

Für Männer hingegen geht’s weiter wie anhin. Wenn nicht sogar ein bisschen besser: Denn Vater werden bedeutet für einen Mann im Schnitt sogar 5 Prozent mehr Rente, im Vergleich zu seinen kinderlosen Kollegen. Vorausgesetzt, er arbeitet weiter und gleich viel wie vor der Vaterschaft. Das ist allerdings fast immer der Fall: 2018 hatten nicht einmal zwei von zehn Männern einen Teilzeitjob. Bei den Frauen hingegen waren es sechs von zehn. Ein Viertel aller Frauen arbeitet in kleinen Pensen (unter 50 Prozent).

DIE AHV MACHT ES BESSER

Hat Frau einen Mann zu Hause, rutscht sie eher ins klassische Rollenbild. Vollzeit (unbezahlt) im Haushalt arbeiten oder nebenbei (zum tieferen Lohn) Teilzeit arbeiten: das rächt sich. Besonders in der Pensionskasse. Denn dort zählen einzig die Erwerbsdauer und die Einkommenshöhe. Entstehen Erwerbslücken, so können diese auch gutbezahlte Frauen gegenüber den Männern nicht wettmachen.

Immerhin: Seit die gesetzlichen Bestimmungen zur beruflichen Vorsorge Mitte der 1980er Jahre geändert wurden, ist auch Teilzeitarbeit ab einem gewissen Einkommen in der zweiten Säule versichert. Und mehr Frauen ­haben überhaupt eine Pensionskasse. Die Frauen-Renten-Lücke ist trotzdem riesig: Frauen erhalten durchschnittlich 63 Prozent weniger Pensionskassenrente als Männer.

Bei der AHV beträgt die Frauen-Renten-Lücke nur 2,7 Prozent. Weil bei der AHV nicht nur das Einkommen zählt, sondern auch Erziehungsarbeit und Erwerbslücken aufgefangen werden. Unter anderem durch Erziehungs- und Betreuungsgutschriften, Ehegatten-Splitting und Deckelung der Minimal- und Maximalrenten. Die AHV ist also die frauenfreundlichste Altersvorsorge.


Frauen-Renten-LückeDie Zahlen im Detail

Vier Faktoren beeinflussen die Altersvorsorge: Zivilstand, Kinder, Ausbildung und Nationalität. Bei verheirateten Frauen mit Kindern ist die Renten­lücke massiv. Ist Frau auch noch Ausländerin und schlecht ausgebildet, kommt es für sie besonders dick:

FRAUEN-RENTEN-LÜCKE NACH ZIVILSTAND

Heiraten ist Gift für Frauen. Jedenfalls, wenn es um ihre Rente geht. Über 47 Prozent weniger hat eine verheiratete Frau im Vergleich zum Mann. Der Grund: Wird geheiratet, heisst es früher oder später noch immer: Die Frau macht den Haushalt, der Mann verdient. Er zahlt in die Pensionskasse ein, sie nicht. Das ändert sich erst wieder, wenn Frau sich scheiden lässt oder Witwe wird – dank Wiederaufnahme der Berufstätigkeit und im zweiten Fall auch dank Witwenrente. Die Nase vorne hat Frau nur, wenn sie ledig bleibt: Die Renten von Solo-Frauen sind 1,4 Prozent höher als jene von Solo-Männern.

FRAUEN-RENTEN-LÜCKE NACH KINDERN

Kinder verändern das Leben. Bei Müttern vor allem auch die Rente: Während der Rentenunterschied zwischen Frauen und Männern ohne Kinder noch bei rund 17 Prozent liegt, steigt er unter Eltern auf satte 41,4 Prozent. Der Grund ist auch hier: die traditionellen Geschlechterbilder. Frauen ziehen sich noch heute stärker aus dem Beruflseben zurück, wenn sie Mütter werden. Sie übernehmen den Grossteil der unbezahlten Erziehungs- und Hausarbeit und ver­dienen, wenn überhaupt, in kleineren Teilzeitpensen. Für Männer hingegen geht es auch als Väter im Beruf meist weiter wie bisher.

FRAUEN-RENTEN-LÜCKE NACH NATIONALITÄT

Die Geschlechterfrage ist auch eine Frage des Passes: Schweizerinnen haben im Alter 38,4 Prozent weniger als Schweizer, während die Rentenlücke bei Personen ohne Schweizer Pass ganze 9 Prozent kleiner ist. Der Grund: Ausländerinnen arbeiten öfter Vollzeit als Schweizerinnen. Deshalb ist ihre Rente näher an derjenigen ihrer Männer. Dazu kommt, dass Personen ohne Schweizer Pass öfter nur die AHV haben oder nur tiefe Pensionskassen, unabhängig vom Geschlecht. Das Rentengefälle wird dadurch kleiner.

FRAUEN-RENTEN-LÜCKE IN DEN DREI SÄULEN

Ganze 37 Prozent haben Frauen weniger an Rente als Männer. Der grösste Teil dieser Rentenlücke wird von der Pensionskasse (PK) verursacht. Die PK-Renten bei Frauen sind 63 Prozent tiefer als bei Männern. Die meisten Frauen haben gar keine oder nur eine geringe Pensionskasse – sie leben im Alter vor allem von der AHV. Wenigstens dort spielt das Geschlecht kaum eine Rolle: Die AHV-Rente ist für Frauen und Männer praktisch gleich hoch. Während tiefere Löhne, Erwerbsunterbrüche und fehlende Ausbildung in der zweiten und dritten Säule abgestraft werden, gilt dies bei der AHV nicht.

FRAUEN-RENTEN-LÜCKE IN EUROPA

Ausgerechnet in reicheren Staaten sind die Rentenunterschiede zwischen Mann und Frau gross. Luxemburg hat den grössten Renten­unterschied (mit 45 Prozent), aber auch das höchste Bruttoinland­produkt (BIP). Ähnlich ist die Situation in der Schweiz. Dabei spielt mit, dass Geschlechterunterschiede im Westen nach dem Krieg stärker ­zementiert wurden als im Osten. Zentral ist zudem die Ausgestaltung des Rentensystems: Je stärker die Rente ans Einkommen gebunden ist, desto grösser die Lücke zwischen Mann und Frau.

Podium work und Denknetz: Frauenstreik und Gender Gap

Wie gross ist die materielle und strukturelle Ungleichheit zwischen Frau und Mann? Was braucht es zur Überwindung dieser Ungleichheit? Und was kann der Frauenstreik dazu beitragen?

Am 25. März 2019, um 20 Uhr im Kosmos in Zürich diskutieren: Ökonomin Mascha Madörin, Juso-Präsidentin Tamara Funiciello, Soziologin Ruth Gurny und SGB-Frauensekretärin Regula Bühlmann. Moderation: Denknetz-Präsidentin Ruth Daellenbach.

Organisiert von der Gewerkschaftszeitung work und dem linken Denknetz.

1 Kommentare

  1. Hohn 14. Mai 2019 um 11:19 Uhr

    Super nehmen Sie das Thema auf.
    Ich wünschte mir, die Gewerkschaft würde noch viel grössere Anstrengungen unternehmen, um das Rentengefälle auf die politische Agenda zu setzen!!
    Ich habe in letzter Zeit mit verschiedenen Frauen über dieses Thema geredet – und noch keine hatte sich je damit befasst, und jede wurde sehr nachdenklich.
    Allerdings muss man die Aussagen verheiratet versus ledig für die heute aktive Generation revidieren, nachdem Kinder=verheiratet so nicht mehr stimmt.

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