Der Aufschwung kommt nun doch nicht. Der Schweizerfranken ist immer noch massiv überbewertet. Und für UBS-Chef Ermotti sind wir alles Prasser.
Perversion: Völlerei bei den Banken, die zur Mässigung aufrufen. Szene aus dem Skandalfilm «Das grosse Fressen» («La grande bouffe») aus dem Jahr 1973. (Foto: alamy.com)
Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) hatte in den letzten Jahrzehnten immer mehr oder minder fähige Ökonomen:
- Beat Kappeler kritisierte in jungen Jahren die zweite Säule und trat für die Volkspension der PDA ein. Im Verlauf seines Lebens rutschte er arg nach rechts.
- Serge Gaillard war in jungen Jahren Trotzkist. Danach Mitarbeiter bei der Konjunkturforschungsstelle der ETH, der KOF, bevor er zum Gewerkschaftsbund kam. Später wechselte er ins Staatssekretariat für Wirtschaft, das Seco. Und ist jetzt der wichtigste Chefbeamte des Bundes.
- Daniel Lampart, der Chefökonom des SGB, der von den Grünen kommt, vertritt ähnliche Positionen wie Serge Gaillard.
Serge Gaillard kritisierte in den 1990er Jahren die Hochzinspolitik der Schweizerischen Nationalbank (SNB). Zusammen mit der SP. Die Geschichte gab ihm recht: Erst als der Bundesrat den damaligen SNB-Chef Markus Lusser in die Pension schickte, konnte die Schweiz die lange Stagnationsphase überwinden.
JORDAN WIE LUSSER
Jetzt macht SNB-Chef Thomas Jordan die gleichen Fehler wie einst Lusser. Im Januar 2015 hob Jordan den Mindestkurs auf. Dies unter dem Druck der Währungsspekulanten.
SGB-Chefökonom Daniel Lampart hat seither immer die richtigen Forderungen vertreten: Ein korrekter Wechselkurs zum Euro liegt im Bereich von 1.35 Franken bis 1.40 Franken pro Euro. Die Nationalbank hat die Mittel, diesen Wechselkurs durchzusetzen. Die Aufhebung des Mindestkurses zerstört unnötigerweise Zehntausende von Arbeitsplätzen. Leider hat der Druck der SP auf Jordan in den letzten Monaten unverständlicherweise etwas nachgelassen.
Der französische Ökonom Patrick Artus, ein Kenner der Schweiz, nimmt in der Westschweizer Sonntagszeitung «Le Matin Dimanche» wie folgt zur wirtschaftlichen Lage Stellung: «Wenn man aber die Industrie anschaut, ist der Franken viel zu stark, selbst mit dem aktuellen Wechselkurs. (…) Als die SNB den Mindestkurs von 1.20 Franken aufgab, der sich fast von alleine hielt, hat sie einen strategischen Fehler gemacht.» Seither sei sie gezwungen, noch viel massiver am Devisenmarkt zu intervenieren als vorher. Kurz, so Artus: «Ein totaler Misserfolg.»
KEINE ERHOLUNG
Die SNB hat jede Menge bezahlte Agenten, die auf allen Kanälen die öffentliche Meinung beeinflussen. Obwohl die Fakten eine klare Sprache sprechen:
- Die Netto-Zuwanderung in die Schweiz nimmt ab. Gesamthaft dürfte sie für das Jahr 2017 bei 50 000 Zuwandernden liegen. So viel, wie einst SVP-Mann Adrian Amstutz gefordert hat. Der Rückgang der Zuwanderung wurde nicht über Erhöhung der Produktivität erreicht, sondern durch wirtschaftliche Stagnation.
- Pro Kopf – und nur darauf kommt es an – sank das reale Bruttoinlandprodukt in den ersten zwei Quartalen dieses Jahres.
Leider berücksichtigt der Teuerungsindex unter anderem die steigenden Krankenkassenprämien nicht korrekt. Sonst sähe die Bilanz noch viel schlechter aus. Trotzdem müssen alle Leserinnen und Leser von work diese ständig steigenden Krankenkassenprämien bezahlen, ohne dass sie entsprechend mehr Lohn bekommen.
OHNE JORDAN, MIT STAATSFONDS
Selbst die Währungsspekulanten mögen nicht mehr so recht an den Franken als sicheren Hafen glauben. Deshalb wurde er im Verhältnis zum Euro 6 Prozent billiger, während er im Verhältnis zum Dollar noch einmal teurer wurde. Die Erfahrungen der neunziger Jahre lehren: Nur steter Tropfen zwingt einen einmal gewählten Nationalbankpräsidenten zum Rücktritt.
Spannend ist die Position des Genfer Bundesratskandidaten Pierre Maudet (FDP): Er will der Nationalbank einen Teil jenes Geld wegnehmen, das sie mit Gelddrucken angehäuft hat, und einen Staatsfonds schaffen.
Solche Staatsfonds legen Kapital im Auftrag eines Staates an und verwalten es. So, wie dies Norwegen mit beachtlichem Erfolg vorgemacht hat.
WERDEN DIE ZINSEN STEIGEN?
Die meisten Zeitungsschreiber fordern US-Notenbankchefin Janet Yellen und EZB-Chef Mario Draghi auf, endlich die Zinsen anzuheben. Beide zögern. Sie haben Angst, dass ihre jeweiligen Volkswirtschaften in eine nächste Rezession rutschen. Weil das Wachstum zu schwach ist und die Inflation nicht so recht anzieht.
Das ist kein Nachteil für die Pensionskassen. Sie haben zunehmend mehr Geld in Immobilien und Aktien investiert. Unter dem Strich fahren sie – real betrachtet – heute besser als nach einer Erhöhung der Zinsen.
Eine Alternative wären nur hohe staatliche Investitionen in die Zukunft. National und international. Von der Bildung bis hin zum ökologischen Umbau. Und dies auf Kosten jener Millionäre und Milliardäre, die in den letzten dreissig Jahren einen immer grösseren Anteil am wirtschaftlichen Kuchen beansprucht haben.
Leider geht, europäisch gesehen, der französische Staatschef Emanuel Macron genau in die falsche Richtung. Sein Ziel ist die Schaffung eines flexiblen Billiglohnsektors, um so die Lohnstückkosten zu senken.
DIE PRASSER VON DER UBS
Die Schweiz musste mit 60 Milliarden Franken die UBS retten. Weil kein privates Konsortium bereit war, der UBS zu helfen. Leider haben die Retter damals der UBS keine dauerhaften Daumenschrauben angelegt.
Peter Bodenmann. Foto: Daniel Rihs
Nach dieser staatlichen Rettungsaktion versprachen alle Parteien: In Zukunft sinken die zu hohen Boni. Und Grossbanken werden so filetiert, dass die einzelnen Teile in Konkurs gehen können. Rein gar nichts davon ist geschehen. Noch immer ist die UBS too big to fail. Noch immer haftet der Staat für UBS, Credit Suisse & Co. Ohne diese Staatsgarantie wären die Grossbanken längst untergegangen. Der Skandal: Sie zahlen keinen müden Rappen für diese staatliche Vollkaskogarantie.
Stattdessen steckte allein UBS-Chef Sergio Ermotti letztes Jahr 13 Millionen Franken Lohn und Boni in den eigenen Sack. Anstatt sich wenigstens zu bedanken, beschimpft er uns, seine Retterinnen und Retter, im «Blick»: «Die heutige Generation verprasst, was die vorangegangene aufgebaut hat.»
Der Hintergrund: Ermotti will die Bankenaufsicht Finma einschüchtern, damit er auf Kosten der Steuerzahlenden erneut noch grössere Risiken eingehen kann. Sind wir ein Volk von Prassern? Wahr ist wohl genau das Gegenteil: Der Prasser beschimpft seine Rettungskolonne.
KING KÖNG WILL PRIVATISIERUNG
Hansruedi Köng ist CEO der Postfinance. Die Postfinance gehört der Schweizerischen Post. Und diese immer noch zu 100 Prozent dem Bund. Auch bei Köng scheint, wie bei UBS-Ermotti, vor und hinter dem Hippocampus einiges verrutscht zu sein.
O-Ton von King Köng in seinem letzten Interview in der «Sonntagszeitung »: «Ich würde eine Privatisierung der Postfinance begrüssen.»
King Köng ist kein Unternehmer, sondern ein sehr gut bezahlter Angestellter, ein staatlicher Angestellter. Wenn der Bund seine indirekte Mehrheit an der Postfinance verkauft, haftet er weiter für die Postfinance, weil diese wie die UBS too big to fail ist.
Immerhin würde King Köng dann vier Mal mehr verdienen.
Peter Bodenmann (65) ist Hotelier in Brig. Von 1990 bis 1997 war er SP-Parteipräsident und von 1997 bis 1999 Walliser Staatsrat. Bodenmann schreibt regelmässig für work.