Wir essen zu viel Rindfleisch und belasten so die Umwelt und das Klima. Rindfleischersatz ist darum gesucht. Der Österreicher Andreas Gugumuck hat einen entdeckt: Schnecken.
LECKERSCHMECKER: Andreas Gugumuck züchtet in seinem Betrieb bei Wien Schnecken und erntet 250 Kilo Fleisch im Jahr. Schneckenessen ist eine alte Wiener Kulturtechnik. (Foto: Georges Desrues)
Viele suchen nach einem Ausweg aus dem blutigen Rinderwahnsinn. Die Zahl der Veganerinnen und Veganer nimmt zu. Aber sie bleiben zumindest vorläufig leider in der Minderheit. Insekten sind seit einiger Zeit – etwa bei Ikea – gross im Kommen. Der Österreicher Andreas Gugumuck – nomen est omen – überrascht uns mit einem neuen Ansatz.
Er züchtet im Wiener Vorland 200’000 Schnecken, lieber Petit und Gros Gris als die heimischen Weinbergschnecken, weil diese ertragreicher sind. Sind sie vier Jahre alt, werden sie in einem dunklen Raum auf Diät gesetzt. Einmal ausgeschissen, verschliessen die Schnecken ihre Schale mit einem Kalkdeckel, schlafen ein und werden im Schlaf sanft abgekocht.
Tönt alles etwas martialisch, soll es aber nicht sein. Schliesslich konnten die Schnecken während vier Jahren auf einer durch einen doppelten Zaun geschützten Weide das Leben an der frischen Luft geniessen und dabei Schale und Muskelmasse aufbauen.
SCHNECKENSCHNITZEL. Bereits in früheren Jahrhunderten verkauften «Schneckenweiber» ihre Delikatessen hinter dem Wiener Dom. Jetzt will der Schneckenzüchter Gugumuck die Original-Wiener-Kalbsschnitzel durch feine Wiener Schneckenmuskelmasse ablösen.
Jedes Jahr werden in seinem Pilotbetrieb bereits 50’000 Schnecken abgekocht. Jede Schnecke hat 5 Gramm Muskelmasse. Ergibt somit pro Jahr bereits 250 Kilogramm feinstes Schneckenfleisch. Zum Vergleich: Wir Schweizerinnen und Schweizer essen pro Kopf und Jahr 72 Kilogramm Fleisch.
- Vorteil Futter: Schnecken brauchen, um gleich viel Muskelmasse aufzubauen wie Rinder, 85 Prozent weniger pflanzliches Futter. Die Schweizer Landwirte könnten also doppelt so viel Fleisch wie heute produzieren, ohne auch nur eine Bohne Soya oder ein Korn Getreide aus der Dritten Welt zu importieren. Grünfutter und etwas Kalk reichen aus. Und wer zeitlebens weniger frisst, produziert logischerweise auch entsprechend weniger Kot. Die Verschmutzung unseres Grund- und Trinkwassers würde rapide abnehmen. Der CO2-Ausstoss würde fast um den Faktor 7 reduziert.
- Vorteil Schlachthäuser: Schlachthäuser werden zu Kampfzonen. Militante Tierschützerinnen und -schützer setzten den Metzgern und ihren Patrons zu. Schnecken können dezentral abgekocht und ausgenommen werden. Keine schreckenerregenden Videos würden jene von uns beunruhigen, die auf feines Fleisch nicht verzichten mögen.
- Vorteil Wolf: Schnecken befinden sich nicht auf dem Menuplan des bösen Wolfs, der durch die Randregionen und Vorstädte der Schweiz streift. Es braucht in Uri und anderswo keine bösen Herdenschutzhunde mehr, die Touristen in die Waden beissen. Stattdessen könnten unsere Bergbäuerinnen und Bergbauern frisch angemachte Schnecken-Alpenbutter-Toasts direkt an die Wandernden verkaufen.
Hört und fühlt sich alles noch etwas seltsam an. Aber warum in aller Welt sollten wir dem Klima und unserem Gaumen zuliebe nicht auf Schneckenmuskelmasse umsteigen, um künftig irgendwie etwas Abwechslung neben den Ikea-Insekten-Hamburger zu haben?
Links zum Thema:
- rebrand.ly/entstoert
Der ehemalige Chef von Nestlé, Peter Brabeck, hat mit seinen Investitionen im Wallis etwas Pech. Er investierte mit staatlicher Hilfe in Leuk 30 Millionen Franken in eine Störzucht. Das Motto: «Wir wollen die Störe nicht schlachten, sondern melken.» Das Projekt scheiterte kläglich. Niemand will zu teuren Schweizer Kaviar essen. Jetzt stehen die Hallen leer. 15 Lohn-abhängige haben ihre Jobs ver-loren. Vielleicht wird es jetzt jemand im zweiten Anlauf mit einer Indoor-Schneckenzucht versuchen.
- rebrand.ly/gugumuck
Es war die deutsche Tageszeitung «Die Welt», die uns auf Schneckenzüchter Andreas Gugumuck und seine Schneckenfarm aufmerksam gemacht hat. Wir werden seine Schnecken im kommenden Spätherbst in Wien schlürfend testen.
- rebrand.ly/coopbundesraetin
Coop-VR-Präsident Hansueli Loosli hat alt Bundesrätin Doris Leuthard der Migros weggeschnappt. Deshalb sitzt die ökologische Schnecken-Bundesrätin jetzt im Coop-Verwaltungsrat. Aber auch im Verwaltungsrat von Bell, dem grössten Schlachtbetrieb der Schweiz. Macht sie aus der Schweiz ein Schneckenparadies?