Plastic ist überall. In den Meeren, in der Einkaufstasche, im Duschgel und in unserem Magen. Warum es Sinn ergibt, den Kunststoffverbrauch zu senken. Und wie Sie das anstellen.
GEWALTIGE MENGE: Der Kunststoffverbrauch der Schweiz beträgt eine Million Tonnen pro Jahr. Das sind 125 Kilo pro Kopf. (Foto: Getty)
Manchmal machen sich auch Bundesbeamte dreckig. Zumindest alle zehn Jahre, wenn sie unseren Abfall analysieren. Dann nimmt sich das Bundesamt für Umwelt (Bafu) unseren Siedlungsabfall vor – je 500 Kilo aus 33 Gemeinden – und will haargenau wissen, wie sich der Kehricht zusammensetzt. Das Ergebnis von 2012: Zu 13 Prozent besteht der Abfall aus reinen Kunststoffen, also Plastic, und zu weiteren 18,5 Prozent aus Verbundwaren. Das sind zum Beispiel Getränkekartons, die neben Papier auch Kunststoff und teils Aluminium enthalten. Hinzu kommen 3,3 Prozent Textilien – viele davon aus Kunstfasern.
Plastic macht also rund einen Drittel unseres Abfalls aus. In der Schweiz liegt der Kunststoffverbrauch bei etwa 1 Million Tonnen jährlich oder bei 125 Kilo pro Person. Nur ein Viertel davon bleibt längere Zeit im Gebrauch – zum Beispiel als Kunststofffenster, in technischen Apparaten, als Möbel und als Spielware. Der Rest ist Abfall, von dem nur gerade 10 Prozent rezykliert werden. Der Rest wird energetisch verwertet, geht also in den Kehrichtverbrennungsanlagen durch den Schornstein und produziert Fernwärme.
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2,5 LITER ERDÖL
So what? Das machen wir doch gut! Die Schweiz schmeisst schon mal keinen Kunststoff auf Müllhalden oder kippt ihn in den See! Und unsere Verbrennungsanlagen arbeiten mit super Feinstaubfiltern! Also her mit den Plasticsäckli! Aber halt: So einfach ist es nicht. Erstens steckt in Plastic viel fossile Energie. Zur Gewinnung von 1 Kilo Polyethylen, dem Ausgangsmaterial zum Beispiel für Plasticsäckli, braucht es etwa zweieinhalb Liter Erdöl. Zweitens gelangen auch in der sauberen Schweiz unablässig Kunststoffe in die Umwelt. In vielen Hygieneprodukten steckt Mikroplastic. Beim Duschen, Waschen und Abschminken gehen sie mit dem Abwasser in die Kanalisation – und werden von Kläranlagen nur mangelhaft herausgefiltert. Eine Studie des Bafu und der ETH Lausanne hat 2014 in sechs Schweizer Seen und in der Rhone Mikroplastic nachgewiesen. Die Uni Bern schätzt die Vorkommen an Mikroplastic in Schweizer Auenböden auf 53 Tonnen. Und drittens ist die Schweiz keine Insel. Also kommt das Plastic aus unseren Gewässern ins Meer, die Meerfische schlucken es, wir essen die Fische – so gelangt es auch in unsere Mägen. Und manche von uns arbeiten in Konzernen, die plasticverpackte Waren munter in die ganze Welt schicken, ohne lang zu fragen, wo der Kunststoffmüll dort am Ende landet. Je nach Sorte bleibt Plasticmüll bis zu 500 Jahre in der Natur, bis er restlos zerfallen ist.
DIE DREI «R»
Also ist der überlegte Umgang mit Kunststoffen wohl doch eine gute Idee. Aber wie stellen Sie es an? Die Formel lautet in Englisch «Reduce, reuse, recycle». Will heissen: den Verbrauch reduzieren, das Verbrauchsgut wiederverwenden, und wenn das nicht möglich ist, dem Recycling zuführen. Einige Tipps für den Alltag:
- EINKAUF: Plasticsäckli vermeiden oder mindestens mehrmals gebrauchen. Nehmen Sie Ihre eigene Einkaufstasche mit. Wenn Sie im Supermarkt lose ausgelegte Früchte oder Gemüse in eine Tüte stecken, um zu wägen, legen Sie die Tüte zu Hause zur Seite und verwenden Sie diese beim nächsten Einkauf wieder. Noch besser: Einkaufsmöglichkeiten wie den Wochenmarkt oder den Hofladen nutzen, wo Sie den Einkauf direkt in die mitgebrachte Tasche legen können. Und: Verzichten Sie auf Fertiggerichte, diese frisch zu halten bedingt aufwendige Verpackungen, meist mit hohem Plasticanteil. Ebenso wirksam ist der Wechsel vom Mineralwasser in Flaschen zum Leitungswasser. Soll es sprudeln, gibt es patente Maschinen dafür.
- VERPFLEGUNG UNTERWEGS: Die Take-away-Kultur bringt enorme Abfallberge mit sich. Ziehen Sie Shops vor, die Mehrweg- oder Biogeschirr verwenden, und bringen Sie fürs Kaffeetanken am Kiosk den eigenen Mehrwegbecher mit. Für den Durst zwischendurch während der Arbeit füllen Sie am Morgen eine Thermoskanne. Die hält Ihr Getränk stundenlang warm oder kühl. Und falls in der Kantine oder an Getränkestationen Ihrer Firma noch Plasticgeschirr und -becher im Gebrauch sind: Regen Sie den Wechsel auf Glas und Porzellan an. Grosse Schweizer Firmen wie Novartis oder UBS wenden sich zurzeit von Wegwerfgeschirr ab. Wohl weil es der Kasse dient. Und erst noch gut ist fürs Image.
- HYGIENE/KOSMETIK: Während andere Länder Mikroplastic in Kosmetika und Pflegeprodukten inzwischen ganz verboten haben, eiert die Schweizer Politik noch herum und vertraut auf die Selbstregulierung der Wirtschaft. Die Folge: Etliche hierzulande erhältliche Duschgels, Pasten, Peelings und Lotions enthalten nach wie vor Mikroplastic. Meiden Sie solche Produkte. Beim Einkauf entlarven Sie Kosmetika mit bedenklichen Inhaltsstoffen über eine praktische App (siehe Box). Oder Sie konsultieren den kostenlosen Einkaufsratgeber des deutschen Bunds für Umwelt und Naturschutz: rebrand.ly/ohneplastik
- ALLTGASGEGENSTÄNDE: Zurück zu nachwachsenden Rohstoffen, lautet die Devise. Bevorzugen Sie Textilien aus Naturfasern. Vermeiden Sie im Haushalt Plasticprodukte, wo es geht. Vom Chlüppli, also der Wäscheklammer, über die Zahnbürste bis zu Taschen, Schüsseln, Werkzeugen und Spielwaren (siehe Text rechts) sind viele Artikel auch in Bambus und anderen Textilfasern, aus Porzellan, Glas sowie aus langlebigen Metalllegierungen erhältlich. Oder aus dem guten alten Holz. Manchmal liegen Sie eben goldrichtig, wenn Sie den Holzweg wählen!
Kind und Kunststoff Trink und spiel gut
Junge Organismen sind durch schädliche Umwelteinflüsse besonders gefährdet. Wie steht es also um Kunststoffe in der Kinderstube? Entwarnung gibt’s für die Nuckelflaschen und Nuggi. Die heutzutage neu erhältlichen Produkte dürfen unbesorgt eingesetzt werden. Auch bei Plasticspielwaren sind problematische Zusatzstoffe wie beispielsweise Bisphenol A oder andere Weichmacher verboten. Theoretisch. Denn die entsprechende Spielzeugrichtlinie besteht zwar, die Einhaltung wird aber selten kontrolliert. Ist ein Produkt mit dem «CE»-Zeichen versehen, bedeutet das nur, dass sein Hersteller behauptet, sich an die Richtlinie zu halten. Ein gutes Zeichen ist hingegen das «GS» (geprüfte Sicherheit). Diese Gegenstände sind von einer unabhängigen Stelle geprüft. Im Zweifelsfall dient auch der Geruchstest als Hinweis: Lassen Sie unangenehm ausdünstende Plasticartikel besser liegen.
RISIKEN IM SPIEL. Generell sollten Sie beim Einkauf von Spielwaren auf hohe Qualität, idealerweise mit dem «GS»-Siegel, achten. Denn auch Holzspielwaren können im Lack, in Schnüren, Nieten oder im Sperrholz gesundheitsschädigende Stoffe enthalten. Besonders bei Kleinkindern, die ihr Spielzeug gern auch intensiv betasten, kneten und zum Mund führen, gelangen leicht flüchtige Gifte in den Organismus. Die Zeitschrift «Wir Eltern» hat einen Ratgeber für den Spielzeugkauf ins Netz gestellt, der neben gesundheitlichen Aspekten auch die Produktionsbedingungen beim Hersteller und Umweltverträglichkeit berücksichtigt:
rebrand.ly/spielzeug