Die Klimajugend hat auf der Suche nach Verbündeten bei den Gewerkschaften angeklopft – und über einen Generalstreik diskutiert.
STOPPT DEN BRAND! Bei den seit Wochen andauernden Waldbränden im Amazonas wird tonnenweise klimaschädliches CO2 freigesetzt. (Fotos: Keystone, iStock; Montage: work)
Tote Gletscher, brennender Amazonas, streikende Jugend. Heute kann die Klimakatastrophe niemand mehr ignorieren. Nur die SVP inszeniert sich als Sammelbecken der Klimaleugner. Andere bürgerliche Parteien bibbern nur so vor der «Klimawahl» und verpassen sich hastig grüne Fassaden. Und trotzdem: ein Durchbruch in der Klimafrage liegt noch in weiter Ferne. Das hat nicht nur mit den hochgesteckten Klimazielen und den einflussreichen Profiteuren der Umweltzerstörung zu tun. Sondern auch damit, dass die Klimaproteste immer noch überwiegend Jugendproteste sind. Schon zu lange ist von der Klimajugend die Rede. Ein politischer Schmähbegriff, der dazu dient, die Notrufe als naiven Kinderkram und das Demonstrieren als pubertäre Beschäftigung abzutun.
Doch das könnte sich bald ändern. Denn Klima- und Gewerkschaftsbewegung schmieden an einer Allianz. Dazu Unia-Geschäftsleitungsmitglied Nico Lutz: «Wir stehen schon seit einiger Zeit in Kontakt mit Klimastreikenden und führen Diskussionen.» Meist handle es sich dabei um ganz praktische Dinge. Zum Beispiel um Tipps und Tricks, wie eine erfolgreiche Grossdemo zustande kommt.
«Die Proteste der Jugend
sind absolut notwendig.»
ARBEIT IM FOKUS
Ein anderes Beispiel gibt der Landschaftsgärtner und Klimaaktivist Dominik Waser (21) aus Zürich: «Neben unserer Kooperation mit dem kantonalen Gewerkschaftsbund diskutieren wir mit den Lehrpersonen des VPOD, wie die Klimafrage im Unterricht besser verankert werden kann.»
Doch steht überhaupt die ganze Klimabewegung hinter der Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften? Waser ist überzeugt davon. Das bestätigt auch die Studentin Jelena Filipovic (27) aus Bern: «Uns war schon lange klar, dass der Klimastreik die Unterstützung der arbeitenden Bevölkerung braucht.» Deshalb habe «Klimastreik Bern» die «AG Workers» gegründet und die Gewerkschaften kontaktiert. Diese hätten sie mit offenen Armen empfangen. Dore Heim, Zentralsekretärin beim Gewerkschaftsbund (SGB), sagt zu work: «Die Proteste der Jugend sind absolut notwendig. Ich bin überzeugt, dass die Schweizer Politik nur handelt, wenn massiver gesellschaftlicher Druck aufgebaut wird.»
Heim traf sich deshalb noch vor den Sommerferien mit Klimastreikenden. Im langen Gespräch sei es auch um einen möglichen Generalstreik für das Klima gegangen. Doch für Heim ist klar: «Ein Generalstreik ist das allerletzte Mittel, wenn alle Stricke reissen.» An diesen Punkt sei die Schweiz noch nicht gelangt. Heim sagt aber auch: «Es ist nicht auszuschliessen, dass die SGB-Gewerkschaften zu einem Klima-Aktionstag aller Arbeitnehmenden aufrufen.»
Wie aber denken die klimastreikenden Schülerinnen und Schüler darüber? «Wir haben sehr intensiv über einen Generalstreik diskutiert», sagt Studentin Filipovic. Doch man sei zum Schluss gekommen, dass es anmassend wäre, wenn eine Schülerbewegung den Arbeitenden sage, sie sollten streiken. «Dennoch beraten wir mit Gewerkschaften, wie wir den politischen Druck auch ökonomisch erhöhen können.» Ein erster gemeinsamer Termin jedenfalls steht bereits: Zur nationalen Klimademo vom 28. September in Bern rufen auch die Gewerkschaften ihre Mitglieder auf. Die Unia leistet einen finanziellen Beitrag, entsendet Personal und organisiert Gratis-Zugfahrten. Erwartet wird die grösste Kundgebung seit Beginn der Proteste in der Schweiz.
www.klimademo.ch
Energie: Ökologischer Umbau mit Tücken
Langsam, aber sicher dämmert es auch den letzten: Die gegenwärtige Wirtschaftsform führt schnurstracks in den ökologischen Kollaps, in eine Katastrophe von nie dagewesenem Ausmass. Immerhin nimmt der Wandel hin zu erneuerbaren Energien allmählich Form an.
FERTIG KOHLE? Ein Arbeiter zeigt ein Stück Braunkohle. (Foto: Shutterstock)
Weltweit wächst die Branche für Wind-, Wasser-, Solar- und Bioenergie jedes Jahr um rund 8 Prozent und bot im Jahr 2017 bereits 10,3 Millionen Arbeitsplätze an. Doch es ist ein Wandel mit Konfliktpotential – gerade für Gewerkschaften.
Das zeigt sich etwa in den riesigen Braunkohlerevieren Nordrhein-Westfalens. Dort werden jährlich 100 Millionen Tonnen Kohle gefördert und für die Stromerzeugung verbrannt. Mit verheerenden Folgen für die Umwelt. Zwar beschloss die Bundesregierung, bis 2038 aus dem Kohlegeschäft auszusteigen. Doch vielen ist das zu spät. Immer wieder stürmen Tausende Menschen die Kohlereviere, klettern auf Bagger, blockieren Geleise und unterbrechen damit den Weiterbetrieb der Werke.
Zukunftssorgen plagen daher die 20’000 Beschäftigten der deutschen Braunkohlewirtschaft. Umweltverbände mögen noch so oft betonen, dass der Kohleausstieg nicht zu Arbeitslosigkeit führen dürfe. Nur: Garantieren könnte das bloss die Regierung. Und die zögert.
Die Branche für grüne Energie wächst jedes Jahr um 8 Prozent.
AM GLEICHEN STRANG. «Hände weg von unserer Kohle!» ist daher die denkbar einfache Parole der Bergbaugewerkschaft IG BCE, die sich mit der Klimabewegung streitet. Ganz zur Freude der milliardenschweren Energiekonzerne, die darauf spekulieren, die Gewerkschaft als handzahme Partnerin mit vermeintlich deckungsgleichen Interessen zu gewinnen. Noch haben es die deutsche Umweltbewegung und die Gewerkschaften also nicht geschafft, am gleichen Strang zu ziehen und vereint für einen ökologischen und sozialen Umbau einzustehen.
Ganz anders lief das im französischen Vénissieux. Dort unterhielt der deutsche Apparatehersteller Bosch einen Zulieferbetrieb für die Automobilindustrie. Im Jahr 2009 entschied der Konzern aus heiterem Himmel, das Werk zu schliessen. Doch eine umfassende Mobilisierung von Gewerkschaften und Umweltverbänden erreichte Beispielhaftes: Nicht nur wurde die Schliessung verhindert, sondern zudem das gesamte Werk in eine Produktionsstätte für Solarpanels umgewandelt. So geht das!