Manor und Migros setzen Hunderte Mitarbeitende vor die Tür. Mit fadenscheinigen Begründungen.
KAHLSCHLAG: Manor und Migros streichen zusammen 780 Stellen. (Foto: Freshfocus)
480 Stellen bei Manor, 300 Stellen bei der Migros Aare: Innerhalb von nur einer Woche haben zwei der grössten Detailhändler der Schweiz einen Mega-Kahlschlag verkündet. Manor schliesst im Januar die Filiale an der Zürcher Bahnhofstrasse, nach einem jahrelangen Streit mit der Vermieterin, der Versicherung Swiss Life. Die Migros Aare wiederum spricht von «sinkender Rentabilität» und einer neuen Unternehmensstrategie.
Doch das ist nur die halbe Wahrheit, sagt Anne Rubin (50) im Gespräch mit work. Sie ist bei der Unia verantwortlich für den Detailhandel.
work: Zwei Massenentlassungen erschüttern den Schweizer Detailhandel. Was ist da los?
Anne Rubin: In den letzten 10 Jahren wurden rund 23’000 Stellen gestrichen. Im Detailhandel läuft ein grosser Strukturwandel. Die Arbeit wird verdichtet, und durch die Digitalisierung werden einerseits bestimmte Arbeiten immer mehr automatisiert. Andererseits ist die Konkurrenz durch Onlinehändler wie Zalando und Amazon grösser geworden. Die Unternehmen in der Schweiz haben die Entwicklung des Onlinehandels aber teilweise verschlafen. Manor zum Beispiel wollte noch vor 12 Jahren kein Wort vom Onlinehandel hören. Die Folgen spüren jetzt die Angestellten.
Unia-Frau Anne Rubin.
Geht es Migros und Manor denn finanziell schlecht?
Nein, die Migros ist finanziell solid aufgestellt, auch weil die Onlinekonkurrenz im Foodbereich mit einem Marktanteil von 2,5 Prozent verschwindend klein ist. Die Massenentlassung hängt viel mehr mit der neuen Strategie der Migros zusammen. Schon letztes Jahr hat die Zentrale in Zürich 290 Stellen gestrichen, dabei gab es auch Entlassungen. Das war ein Tabubruch. Vorher baute die Migros ohne Kündigungen ab. Die Botschaft aus der Zürcher Zentrale an die 10 autonomen Migros-Genossenschaften lautete: «Wir räumen auf. Jetzt seid ihr an der Reihe.» Nun streicht die Migros Aare 300 Stellen. Obwohl sie zuletzt rund 36 Millionen Franken Gewinn machte. Das sind satte 15 Prozent mehr als im Vorjahr.
Wie ist es bei Manor?
Manor gehört einer der reichsten Familien der Schweiz. Sicher ist das Unternehmen direkter von der Onlinekonkurrenz betroffen als die Migros, hat den digitalen Wandel aber verpasst. Jetzt will sich Manor als Multichannel-Geschäft positionieren. Das heisst: Traditionelles Einkaufen und Onlineshopping sollen miteinander verschmelzen. Die Läden sind dann eher Showrooms, kleiner und mit reduziertem Sortiment. Wie in der neuen Manor-Filiale in Bern. Was nicht da ist, können Kundinnen und Kunden direkt bestellen. Manor will wahrscheinlich so «schlank» wie möglich werden und entlässt schon seit Jahren Personal. Das legt nahe, dass die jetzige Massenentlassung in Zürich nicht alleine mit dem Mietstreit zu tun hat. Denn: Manor hatte dort fünf Jahre Zeit, um für die Angestellten eine Lösung zu finden.
Die Unia fordert eine «soziale Digitalisierung». Was heisst das?
Das Personal muss in den Wandlungsprozess mitgenommen und aus- und weitergebildet werden. Wer zum Beispiel – wie bei Manor – in einem Multichannel-Geschäft arbeitet, muss neue, digitalisierte Abläufe beherrschen. Dazu kommt die Verdichtung der Arbeit: Beraten, ein Produkt im System suchen, die Bestellung abwickeln – alles läuft parallel, der Druck steigt. Gleichzeitig wollen die Geschäfte immer länger geöffnet haben, mit immer weniger Personal. Das funktioniert nicht. Wir verlangen von Manor und Migros, Verantwortung zu übernehmen und keine Angestellten zu entlassen.