Andreas Rieger
Für die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» (FAZ) sind die flankierenden Massnahmen (FlaM) der Schweiz «Folterinstrumente». Was treibt das sonst staubtrockene Sprachrohr der deutschen Wirtschaft bloss zu diesem Wahnsinnsvergleich? Wer wird da laut FAZ eigentlich mit Elektroschocks und heissen Nadeln gefoltert? Es sind die süddeutschen Unternehmer, die in der Schweiz mit entsandten Arbeiterinnen und Arbeitern Aufträge ausführen wollen. Dafür müssen sie eine Kaution hinterlegen – wie Millionen Mieterinnen und Mieter auch. In Deutschland genauso wie in der Schweiz. Die Firmen müssen den Einsatz auch 8 Tage im voraus einplanen und anmelden. Und das soll unzumutbar sein, um mit einem Trupp von durchschnittlich fünf Arbeitern 3 bis 4 Wochen in der Schweiz zu bauen? Es ist lächerlich, diese paar Regeln als «Folterinstrumente» zu bezeichnen. Und doch stehen sie im Zentrum des Angriffs deutscher Lobbyisten gegen den Schweizer Lohnschutz (siehe Artikel rechts). Im Zentrum des Streites mit der EU.
Warum solidarisiert sich die FAZ mit den Lohndrückern?
DICKES DUMPING. Dabei können die Schweizer FlaM so schlimm gar nicht sein. Eine Umfrage des baden-württembergischen Handwerktags zeigt nämlich: die Schweiz ist das Lieblingsland für deutsche Entsender. Über eine Milliarde Euro Umsatz bolzen sie hier. Die Regeln auf dem Schweizer Arbeitsmarkt sind offensichtlich nicht hinderlich. Aber ärgerlich. Jedenfalls für die, die sich nicht daran halten. Ein bisschen weh tun die Bussen schon, die deutsche Patrons immer mal wieder kassieren, weil sie die Entsenderegeln missachten. Und richtig weh tut, wenn sie deshalb sogar auf die schwarze Liste kommen und ausgesperrt werden von der Schweiz. Jährlich trifft dies Hunderte deutsche Unternehmen. Um gesperrt zu werden, müssen sie aber richtig dick Dumping betreiben. Warum solidarisiert sich die FAZ mit Lohndrückern, wenn sie von «Folter» schreibt?
SCHWEIZER PREISE. Und was ist mit den Arbeitnehmenden, die all die Büez machen und zum Schluss betrogen werden? Es ist doch ganz einfach: Deutsche Unternehmer stellen ihrer Kundschaft gerne Schweizer Preise in Rechnung, vergessen dabei aber, dass sie ihren entsandten Büezerinnen und Büezern auch Schweizer Löhne zahlen müssen. Und was tut Aussenminister Ignazio Cassis? Nein, er wehrt sich nicht gegen dieses deutsche Dumping-Geschäftsmodell. Er attackiert lieber die Schweizer Gewerkschaften und gibt den Lohnschutz zum Abschuss frei.
Andreas Rieger war Co-Präsident der Unia. Er ist in der europäischen Gewerkschaftsbewegung aktiv.