Hinter dem Angriff der EU auf die flankierenden Massnahmen stecken gewiefte deutsche EU-Politiker aus der rechten CDU. Der Grund: Es geht um ein Milliardengeschäft.
VON WEGEN SCHWEIZER PROTEKTIONISMUS: Deutschland auferlegt Schweizer Gewerblern bei grenzüberschreitenden Arbeiten mindestens so viel Bürokratie wie umgekehrt. (Foto: iStock)
Die flankierenden Massnahmen (FlaM) zur Personenfreizügigkeit sind das Beste, was der Schweiz passieren konnte: Sie schützen die Arbeitnehmenden vor Lohndumping. Und zwingen ausländische Unternehmer, die in der Schweiz Aufträge erledigen, ihren entsandten Büezern Schweizer Löhne zu zahlen. Das schützt direkt auch die Arbeitnehmenden in der Schweiz.
Doch dieser Lohnschutz steht unter Druck: von Seiten der EU. Sie verlangt, dass er geschleift werde, weil er «unverhältnismässig» sei. Die Schweiz betreibe damit Protektionismus, so der Vorwurf. Im sogenannten Rahmenabkommen, das die Schweiz mit der EU verhandelt, soll dieser Lohnschutz deshalb fallen. Statt sich gegen diesen Angriff zur Wehr zu setzen, gab Bundesrat Ignazio Cassis den Lohnschutz seinerseits zum Abschuss frei. Ein paar einflussreiche deutsche EU-Abgeordnete lachen sich seither gewaltig ins Fäustchen. Doch der Reihe nach.
Deutsche Firmen wollen mit
Lohndumping in der Schweiz Profite steigern.
WASSER PREDIGEN UND WEIN TRINKEN
Wir schreiben das Jahr 2015. Schon länger ist den deutschen Gewerblern der Schweizer Lohnschutz bei entsandten Arbeitnehmenden ein Dorn im Auge: 8-Tage-Meldefrist, Kautionspflicht, Kontrollen durch die paritätischen Kommissionen und Bussen bei Verstössen. Für gewisse süddeutsche Unternehmer sind diese flankierenden Massnahmen zur Personenfreizügigkeit nur «Hemmnisse im EU-Binnenmarkt». Sie möchten freie Bahn für mehr Profit dank Dumpinglöhnen. Also muss der Schweizer Lohnschutz weg. Der baden-württembergische Handwerkstag verabschiedet eine entsprechende Resolution. Und den Arbeitgebern gelingt es, ihre Forderung direkt bei der EU in Brüssel zu placieren. Dank einflussreichen Strippenziehern.
Dazu gehören der Europa-Abgeordnete Andreas Schwab (siehe unten «Der Rottweiler»), Junckers Generalsekretär Martin Selmayr sowie der EU-Kommissar Günter Oettinger. Allesamt aus der CDU und allesamt stramme Fundamentalisten, für welche die Markt- und Wirtschaftsfreiheit vor dem Schutz der Löhne von Mitarbeitenden kommen. Die Seilschaft arbeitete hinter den Kulissen effizient. Das zeigen jetzt brisante Recherchen der Unia und des Gewerkschaftsbunds. In ihrem Bericht belegen die Autoren Andreas Rieger, Michael Stötzel und Joel Bühler minutiös, wie dieses Lobbying abgelaufen ist.
Und sie bringen entlarvende Fakten zum Entsendemarkt: Die Baden-Württemberger Gewerbler predigen Wasser und trinken selber Wein. Denn Deutschland auferlegt Schweizer Gewerblern bei grenzüberschreitenden Arbeiten mindestens so viel Bürokratie wie umgekehrt.
DAS SIND DIE TATSACHEN:
- 40’000 Arbeitnehmende aus Deutschland arbeiteten im Jahr 2018 via Entsendung in der Schweiz. Und zwar zu gleichen Teilen auf dem Bau, in der Industrie und in den Dienstleistungen. Der Grossteil davon sind süddeutsche Firmen, die mit solchen Aufträgen geschätzte 1 Milliarde Franken Umsatz machen. Der Schweizer Markt ist für sie höchst lukrativ. Umgekehrt gab es nur etwa 1500 entsandte Arbeitnehmende aus der Schweiz nach Deutschland. Fünfundzwanzigmal weniger! Die deutsch-schweizerische Freizügigkeit ist also eine Einbahnstrasse.
- Deutsche Patrons – und nicht nur polnische – fliegen in der Schweiz immer wieder wegen Dumpinglöhnen auf. Von den 3954 Fällen von Sanktionen im Jahr 2018 waren ein Drittel deutsche Firmen. Ein Viertel der gesperrten Firmen – die schwerste aller Strafen bei massivem Dumping – sind ebenfalls deutsche.
Die vielen Verstösse zeigen, dass der Schutz der Löhne von höchster Bedeutung ist. Und es wird auch klar, dass der Vorwurf an die Schweiz, sie betreibe mit den FlaM bloss Protektionismus, offensichtlich haltlos ist. Umso mehr, als auch Deutschland jenen Schweizer Gewerblern, die in Deutschland arbeiten wollen, mindestens so viel Papierkram auferlegt wie umgekehrt. So müssen Schweizer Chefs alle Entsandten bei der Generalzolldirektion in Köln melden, sich in einer Handwerkskammer eintragen, einen Sozialversicherungsnachweis erbringen, eine Umsatzsteuernummer beim Finanzamt Konstanz einholen und im Bau erst noch 14,5 Prozent der Bruttolohnsumme der deutschen Urlaubskasse in Wiesbaden abliefern. Das ist eine Art Kaution, mit der die Bezahlung des Urlaubs gesichert und die rückerstattet wird. Doch das kann meist sehr lange dauern. Viele hiesige Betriebe verzichten daher ganz auf deutsche Aufträge. Die Bürokratie ist ihnen schlicht zu gross.
Und das Fazit aus all diesen neuen Erkenntnissen? Bei den Auseinandersetzungen um das Rahmenabkommen geht es in Wirklichkeit gar nicht um einen Grosskampf Schweiz gegen EU. Sondern darum, ob die süddeutschen Unternehmer das Milliardengeschäft über die Grenze hinweg mit Dumpinglöhnen betreiben können. Oder eben nicht.
Joel Bühler, Andreas Rieger, Michael Stötzel: Der Angriff der süddeutschen Arbeitgeber auf den Schweizer Lohnschutz. Broschüre, zu beziehen im Unia-Zentralsekretariat in Bern oder online unter rebrand.ly/unia-studie.
Der RottweilerCDU-Mann Andreas Schwab will den Schweizer Lohnschutz bodigen
Lobbyist Andreas Schwab. (Foto: PD)
Der deutsche CDU-Mann Andreas Schwab (46) aus Rottweil ist eine Schlüsselfigur im Lobbying gegen den Schweizer Lohnschutz. Als Europaabgeordneter ist er eng mit den süddeutschen Arbeitgebern verbandelt. Seine Politkarriere hat er ausschliesslich in CDU-Bahnen absolviert – bis hin zum Verein der Freunde der Rottweiler Münstersängerknaben, den er präsidiert.
In Brüssel singt Schwab seit 2004 als zuverlässiger Lobbyist das Lied der Wirtschaft. Im September wurde er zum Vorsitzenden der 20köpfigen Delegation des Europäischen Parlaments gewählt. Sie ist für die Beziehungen zur Schweiz zuständig. Daher spielt Schwab im Streit um das Rahmenabkommen eine wichtige Rolle. Seit Jahren lässt der Rottweiler Politiker am Schweizer Lohnschutz kein gutes Haar. Dieser sei «einseitig», belaste die Handwerker und bewirke, dass EU-Betriebe in der Schweiz schlechter behandelt würden. Auch der Lohnschutz der Franzosen ist ihm ein Dorn im Auge. In der Binnenmarktkommission setzte Schwab Druck auf. Es gelang ihm im vergangenen Januar, dass die Kommission die flankierenden Massnahmen der Schweiz als «unverhältnismässig einseitig» verurteilte.
WIND DREHT. Inzwischen hat der Wind jedoch gedreht. Denn der Europäische Gewerkschaftsbund setzt sich aktiv für die flankierenden Massnahmen ein, unter anderen auch der prominente deutsche Grünen-Politiker Reinhard Bütikofer.
Habe als schweizer Unternehmer 2015/2016 als Zimmereiunternehmung grenznah gearbeitet. Der ganze Bürokram war sehr aufwändig und braucht viel Verständnis. Doch was die Finanzämter an Hokuspokus bereithalten sprengt jede Phantasie. Wehe man probiert diese ELSTER (Elektronische Steuererfassung) selbst einzugeben. Da wurde mir als ausländischem Unternehmer auferlegt, spätestens vor Ende des nächsten Monats diese Monatszahlen abzuliefern. Nach mehreren Nachtschichten und vergeblichen Telephonaten nach Konstanz kam dann schliesslich per automatisch generiertem Mail (Die Beamten halten sich betont kurz und vorwurfsvoll, so sie denn das Telephon abnehmen) die Information, dass für die Januarabrechnung und folgende Monate das neu ausgearbeitete Programm erst ab Ende April verfügbar sei. Bingo: Mehrkosten, denn ich brauche einen Steuerberater. Diesen Schwachsinn pack ich nicht. Da sollen sich Professionelle mit solchen Widrigkeiten auseinandersetzen. Lange nach Abschluss der Arbeiten erhielt ich von Konstanz noch eine Busse auferlegt, weil das Abschlussdatum der Arbeiten nich richtig angekommen sein soll und ich so die Folgemonate nicht richtig deklariert hätte. War nicht mein Fehler und sehe die Busse nicht als korrekt an, da die anzumeldende Summe Null gewesen wäre.
Nun sind vier Jahre vergangen und ich erhalte ein Schreiben vom Steuerberater der beiden Bauherren aus der Umgebung von München. Sämtliche Rechnungen seien neu zu schreiben und ohne Mehrwertsteuer auszuweisen. Zweitens seien die Originalrechnungen mit der Stornierung zu bezeichnen. Der Grund dazu ist folgender: Der eine der beiden Bauherrenbrüder wohnt in der Umgebung von München. Die beiden haben gemeinsam eine Grundstückgemeinschaft gebildet. Diese wäre eigentlich nicht eine Gesellschaft gemäss Paragraph 13b, würde der eine Bruder auch im Bauobjekt wohnen. Nun wohnt dieser aber in München. Mit diesem Faktum ist es gegeben, dass es sich nun um eine Gesellschaft handelt, die 13b unterstellt ist. So gilt nun, dass nicht mehr die Mehrwertsteuer von den Unternehmern einzeln abgeliefert wird, sondern die Steuerschuld beim Leistungsempfänger liegt. Der hat nun diese Steuerschuld natürlich bezahlen müssen und probiert natürlich seine an mich einbezahlte Steuer nachzuverlangen. Dass nun das Finanzamt Konstanz von mir verlangt vier Jahre nach Fertigstellung meiner Buchhaltung mich 1.) durch Urkunden“fälschung“ sowie 2.)stornieren von ca 12000 Euro ohne entsprechende Umbuchung mich nach schweiz. Recht strafbar zu machen, um innerdeutsch alle Papierchen korrekt in der „heilen “ Beamtenwelt präsentieren zu können, sprengt mein Verständnis. Auf meine Intervention hin, das sei eigentlich ein Steuerstreit zwischen den Finanzämter Konstanz und München scheinen wir der Sache nun näherzukommen. Eventuell schreibt mir das Finanzamt Konstanz nächste Woche ein Beglaubigungsschreiben für mein in der Schweiz ungesetzliches Tun. Wer Lust hat kann es nochmals mit Arbeit in Deutschland probieren. Die Tonlage aus Deutschland ist einstimmig die, dass ich selbst Schuld sei. Ich hätte die Steuer nie nach Konstanz abliefern dürfen. Urs Rösler/Basel