Am 9. Februar stimmen wir über die Initiative «Mehr bezahlbare Wohnungen» ab. Die Umfragen sind knapp. Die Immobilienspekulanten nervös und fies.
HOCH HINAUS: Der Schweizer Wohnungsmarkt ist eine Umverteilungsmaschine von unten nach oben. Die Wohnbauinitiative will hier Gegensteuer geben.
Im Bild der Jabee-Tower in Dübendorf ZH, der höchste Wohnturm der Schweiz. (Foto: Keystone)
Die Initiative des Schweizer Mieterinnen- und Mieterverbandes will drei Sachen:
- Gesamtschweizerisch sollen mindestens 10 Prozent aller neu gebauten Wohnungen Trägerschaften des gemeinnützigen Wohnungsbaus gehören. Dafür soll der Bund gemeinsam mit den Kantonen sorgen.
- Der Bund soll Kantonen und Gemeinden erlauben, ein Vorkaufsrecht für geeignete Grundstücke einzuführen.
- Der Bund räumt den Kantonen und Gemeinden ein Vorkaufsrecht ein, wenn Grundstücke des Bundes oder bundesnaher Betriebe wie SBB, Post und Swisscom zum Verkauf stehen.
GROSS-SPEKULANTIN SBB
Vor allem auch der letzte Punkt würde eine spürbare Entlastung vom Spekulationsdruck bringen. Die SBB sind unter Noch-CEO Andreas Meyer zu einer massiven Treiberin der Immobilienspekulation geworden. Während die Infrastruktur des Kerngeschäfts an allen Ecken und Ende lödelet, überbauen die SBB immer mehr ihrer nicht mehr für den Bahnbetrieb benötigten Flächen mit Luxusbauten. Einen Grossteil dieses Landes haben sie im Laufe ihrer Geschichte von der öffentlichen Hand gratis oder günstig erhalten. In den vergangenen Jahren sind die SBB zur Nummer zwei des Schweizer Immobilienmarktes aufgestiegen. Hinter dem Versicherungskonzern Swisslife, aber noch vor der Swiss Prime Site, der grössten börsenkotierten Immobilienfirma.
Die Wohnbauinitiative macht die
Spekulanten nervös.
3 MILLIONEN SCHWINDEL-FLYER
Die moderate Wohnbauinitiative stösst in Umfragen auf gute Zustimmung. Die Panikmache der Immobilienspekulanten, vertreten durch den Hauseigentümerverband und rechte Politikerinnen und Politiker, schlägt nicht so an, wie von diesen erhofft. Die Menschen merken, dass bei einer 10-Prozent-Quote für gemeinnützige Wohnungen nicht von einer «Verstaatlichung des Wohnungsmarktes» geredet werden kann. Darum greifen jene jetzt zu schmutzigen Tricks. Sie liessen 3 Millionen Flyer drucken und an die Haushalte verteilen. Darin schreiben sie von «777 Millionen Franken Verlusten des Bundes seit den 1990er Jahren mit Wohnbaudarlehen». Das ist nicht einfach Äpfel mit Birnen verglichen, sondern eine bewusste Irreführung der Stimmenden. Denn die 777 Millionen Franken haben weder mit dem heutigen Wohnraumförderungsgesetz zu tun und schon gar nicht mit der aktuellen Initiative. Sondern mit dem Gesetz zur Wohnbau- und Eigentumsförderung (WEG).
Schuld am Millionenabschreiber auf Bürgschaften war das WEG, ein bürgerliches Pfuschgesetz. Und an die damit geschaffenen Geldtöpfe kamen insbesondere private und kommerzielle Anbieter heran. Die verspekulierten sich massiv – und als die Immobilienblase in den 1990er Jahren platzte, musste der Bund für viele Bürgschaften geradestehen. Darum wurde das WEG abgeschafft und bereits vor 17 Jahren durch das Wohnraumförderungsgesetz (WFG) ersetzt. Mit diesem werden ausschliesslich noch gemeinnützige Wohnbauträger unterstützt. Unter dem Strich kostet die heutige Wohnbauförderung des Bund quasi nichts.
UMVERTEILUNGSMASCHINE
Die Angst der Immobilienspekulanten ist eine um ihr Geschäft: Es geht um Milliarden – und von denen wollen sie offensichtlich nicht einmal bescheidene 10 Prozent abgeben. Alle Wohnimmobilien der Schweiz sind zusammen rund 3100 Milliarden Franken wert und bringen den Besitzerinnen und Besitzern eine Nettocashrendite (ohne Wertsteigerung) von 3,6 Prozent. Auf diese Zahlen kam die Immobilienberatungsfirma «Wuest Partner». Das heisst: die Immobilienbesitzenden kassieren einen Profit von rund 110 Milliarden pro Jahr. Und noch einmal 100 Milliarden kommen als Wertsteigerung dazu.
Die Rechnung ist zwar nicht ganz präzise, weil sie nicht berücksichtigt, dass fast 40 Prozent der Menschen in der Schweiz im eigenen Haus oder in einer Eigentumswohnung leben. Und auch nicht, dass nicht alle Wohnungen zu Marktpreisen vermietet werden. Aber auch so bleibt der Wohnungsmarkt in der Schweiz eine Umverteilungsmaschine von unten nach oben. Die Wohnbauinitiative will hier ein bisschen Sand ins Profitgetriebe streuen. Das macht die Spekulanten so nervös.
Abstimmung am 9. Februar: Schutz vor Homo-Hass
Hass gegen Lesben, Schwule und Bisexuelle ist heute in der Schweiz ungestraft erlaubt. Das könnte sich ändern, wenn bei der Abstimmung am 9. Februar der neue Diskriminierungsschutz angenommen würde: Wer gegen Homosexuelle hetzt, sie systematisch herabsetzt oder gar zu Gewalt aufruft, soll künftig mit einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von bis zu 3 Jahren belangt werden. Dabei geht es nicht um den Schutz von Einzelpersonen, denn diese können sich, wie alle anderen auch, schon heute rechtlich gegen persönliche Beleidigungen oder Angriffe wehren. Die neue Strafnorm greift nur dort, wo in der Öffentlichkeit gegen Homosexuelle als ganze Gruppe gehetzt wird.
HARDLINER. Ende 2018 erweiterte das Parlament die bereits bestehende Rassismusstrafnorm um das Merkmal der «sexuellen Orientierung». Den rechten Parteien EDU und SVP passte das aber nicht, und deshalb kommt die Vorlage jetzt an die Urne.