Der Feminismus der 99 Prozent
Aus einem neuen, sozialen und ökologischen Feminismus soll die Renaissance der Linken wachsen.
Kraftvoll, kreativ, selbstbewusst: Eine Fotoausstellung zeigt Frauen und ihren Kampf für Gleichstellung. Hinter der Kamera: Fotografin Gina Roder (27).
Es sollten keine gewöhnlichen Portraits werden. Das war für Fotografin Gina Roder (27) von Anfang an klar. «Ich wollte, dass alle Bilder miteinander verbunden sind.» Also organisierte sie eine weisse Wand, auf die alle Frauen ihre persönliche Forderung schreiben sollten. Und sichtbar machen, wo es noch immer klemmt mit der Gleichstellung.
Zuerst kamen Freundinnen und Bekannte. Und bald auch Frauen, die Roder zuvor noch nie gesehen hatte. 58 Fotos sind schliesslich entstanden, work zeigt 9 davon. Es ist Roders erstes eigenes Projekt.
STÄNDIG VERFÜGBAR. Erst seit einem halben Jahr arbeitet sie als Fotografin. Eine «berufliche Kehrtwende» sei das gewesen. Ursprünglich hatte Roder Geschichte studiert und im Museum gearbeitet. «Trotz mehreren Weiterbildungen fand ich irgendwann einfach keine Stelle mehr.» Da wurde für Roder klar: «Vielleicht ist das die letzte Chance, um mir zu überlegen, was ich beruflich wirklich machen möchte.»
Also bewarb sie sich an der Schule für Gestaltung in Bern, wurde angenommen und begann ein Praktikum beim Werbefotografen Terence Du Fresne in Ittigen BE. Seither reist sie in der ganzen Schweiz herum, arbeitet an grossen Produktionen mit. Roder lacht: «Alles ist wahnsinnig schnell gegangen.»
Auch wenn sich Roder in ihrem neuen Beruf wohl fühlt: die Branche ist eine Männerdomäne. Dabei würde es an weiblichem Nachwuchs nicht fehlen, denn: «In meiner Ausbildungsklasse sind die Hälfte Frauen.» Trotzdem sind die, die letztlich auf dem Beruf bleiben und davon leben können, «vor allem Männer».
Das liegt auch an den Arbeitsbedingungen. Der rasante Medienwandel hat viele Festanstellungen gekostet. Zeitungsverlage sparen fast immer zuerst bei den Fotografinnen und Fotografen. Und drücken die Honorare für Freie weiter und weiter. Roder weiss: «Wer da über die Runden kommen will, muss Vollzeit arbeiten und fast ständig verfügbar sein.» Gerade für Frauen ist das oft nicht möglich, vor allem wenn sie Kinder bekommen. Denn noch heute bleibt die unbezahlte Haus- und Erziehungsarbeit vor allem an ihnen hängen. Die Folgen: weniger Aufstiegschancen, weniger Lohn, tiefere Renten.
SICHTBARKEIT. Diese Themen macht Roders Fotoserie sichtbar. Und noch viele mehr. So viele, dass selbst Feministin Roder überrascht war: «Jedesmal wenn eine Frau ihre Forderung auf die Fotowand geschrieben hat, dachte ich: ‹Wow, die Vielfalt an Forderungen und unterschiedlichen Erfahrungen ist einfach riesig.›» Sexistische Angriffe in der Öffentlichkeit etwa, Beleidigungen wegen des Aussehens und Rassismus. Für Roder ist klar: «Das Wichtigste ist, diese Kämpfe sichtbar zu machen und sie zu verbinden.» Mit und ohne Kamera. (pdi)
Gina Roders Fotoprojekt «Look at us – we are many!» wird im Rahmen des feministischen Aktionswochenendes der Frauenstreik-Koordination Bern ausgestellt.
Am 7. und 8. März, von 11 bis 17 Uhr im Progr Bern, www.frauen-streiken.ch