Andreas Rieger
Zuoberst auf der Agenda der Gewerkschaften steht jetzt in ganz Europa die Corona-Krise. Und die Sofortmassnahmen gegen die fatalen Folgen des Virus: Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz, Garantien für Löhne und Lohnersatz, Erhalt der Jobs etc. Dort, wo die Gewerkschaften stark sind, fallen viele Entscheide zwischen den drei Parteien Staat, Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen. In Deutschland zum Beispiel fordert der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), dass der Staat Kurzarbeit breit bewilligt und die Entschädigung erhöht. Denn diese beträgt bisher nur 60 Prozent des Lohnes, 67 Prozent für Kurzarbeitende mit Kindern. Die Gewerkschaften verlangen mindestens 80 Prozent, laufen aber bisher bei der Regierung auf (Stand 25. März). Die Metaller-Gewerkschaft IG Metall hat diese 80 Prozent nun schon mal in den Tarifverhandlungen für die Maschinenindustrie durchgesetzt. Auf Lohnerhöhungen verzichtete die Gewerkschaft – zugunsten der Beschäftigungssicherung.
Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) hat in einer Zusatzvereinbarung für die Gastroketten wie McDonald’s, Starbucks usw. ebenfalls eine Aufstockung des Kurzarbeitsgeldes erreicht. Und einen verstärkten Schutz vor Kündigungen. Für die ganze Gastrobranche konnte die Gewerkschaft das bisher aber nicht durchsetzen.
Häufig hilft nur ein Streik.
AMAZON UND CO. Gar nicht sozialpartnerschaftlich läuft es beim Online-Versandhändler Amazon. Gesundheitsschutz ist für Amazon auch in Corona-Zeiten ein Fremdwort. Da hilft oft nur noch ein Streik. In Frankreich haben die Mitarbeitenden gleich an drei Standorten die Arbeit niedergelegt. Sie beklagten die Nichteinhaltung der Abstandsregeln, den Mangel an Desinfektionsmitteln und die fehlende Reinigung der Arbeitsbereiche. Aus ähnlichen Gründen streikten die Amazon-Beschäftigten in der Nähe von Rom und von Piacenza in Italien. Mit ihrer zynischen Arroganz gegenüber den Arbeitnehmenden und ihrer Gesundheit haben Amazon und Co. die italienische Regierung nun gezwungen, einen grossen Teil der Produktion im Land zu stoppen. Unternehmen, die nicht Überlebenswichtiges herstellen, müssen ihre Produktion runterfahren. Und werden diese erst dann wieder rauffahren können, wenn die Zunahme der Corona-Fälle gestoppt und der Gesundheitsschutz der Arbeitenden garantiert sein wird.
Andreas Rieger war Co-Präsident der Unia. Er ist in der europäischen Gewerkschaftsbewegung aktiv.