Andreas Rieger
Italien, Frankreich und andere EU-Staaten fordern einen «Corona-Bond». Eine europäische Gemeinschaftsanleihe. Bis jetzt versorgt sich jeder Staat einzeln am Finanzmarkt mit Anleihen, um die horrenden Kosten der Corona-Krise zu stemmen. Viele zahlen dafür hohe Zinsen, andere bekommen das Geld wegen ihrer Zahlungskraft fast zinslos. So auch Deutschland. Gemeinschaftsanleihen würden die Zinsen um Milliarden senken. Doch just die deutsche Regierung sagt Nein! Sie verweigert eine solidarische Lösung. Ebenso die Niederlande. Deren Finanzminister Wopke Hoekstra meinte, Italien sei selbst schuld, wenn es zu wenig Geld in der Staatskasse habe. Er überging schlicht, dass die EU den Ländern des Südens ebendiese Finanzpolitik aufgezwungen hatte, die zum Abbau von Spitälern und Staatseinnahmen geführt hatte. «Ekelhaft», rief der sonst zurückhaltende portugiesische Ministerpräsident António Costa.
Von der Leyen stellt Marshallplan für Europa in Aussicht.
SOLIDARITÄT. Da schrieben italienische Bürgermeister den ersten offenen Brief: «Liebe deutsche Freunde, es geht nun nicht um die Haftung für Altschulden einzelner Staaten, sondern um die Solidarität in der Gesundheitskrise.» Sie erinnerten daran, dass Italien und andere europäische Länder nach dem Zweiten Weltkrieg Deutschland aus dem Schuldenloch geholfen hatten. Und sie kritisierten Holland, das mit seinem Steuerdumping anderen Staaten Einnahmen entzieht.
INVESTITIONSPLAN. «Cari italiani», meldete sich jetzt Ursula von der Leyen, die Chefin der EU-Kommission. Sie entschuldigte sich dafür, dass viele zu Beginn der Corona-Krise nur für sich geschaut hätten. Jetzt aber stehe die EU den Italienerinnen und Italienern bei. Als Tatbeweis nannte von der Leyen das neue EU-Projekt «Sure», eine 100 Milliarden schwere gemeinsame Absicherung der riesigen Kosten für Kurzarbeit. «Cara Ursula», antwortete der italienische Ministerpräsident Giuseppe Conte tags darauf: «Ich schätze Deine einfühlsamen Worte. Von anderen habe ich Dinge gehört, die Europa nicht würdig sind.» Das Projekt «Sure» sei gut, aber um die Krise zu überwinden, brauche es mehr: einen grossen gemeinsamen Investitionsplan für den Wiederaufschwung. Einen solchen «Marshallplan für Europa» stellt von der Leyen nun in Aussicht. Widerstand aus Deutschland und den Niederlanden ist sicher. work bleibt dran.
Andreas Rieger war Co-Präsident der Unia. Er ist in der europäischen Gewerkschaftsbewegung aktiv.