Gewerkschafter Vasco Pedrina:
«Wirtschaft muss zahlen»

35 Jahre hat der ehemalige Unia- Co-Chef Pedrina für die Asbestopfer gekämpft.

Gewerkschafter Vasco Pedrina

work: Was sagen Sie zur Geschichte der Schwarzmanns?
Vasco Pedrina: Sie zeigt die menschliche Tragödie der Asbestkatastrophe. Mehr als 1800 Menschen sind bis heute in der Schweiz an Asbest gestorben. Weltweit sind es jedes Jahr 100’000 Personen. Und das wird so bleiben, mindestens noch für einige Jahrzehnte. Die Geschichte zeigt aber auch, dass es den Opfern nicht nur darum geht, für sich selber zu kämpfen, sondern um die Suche nach einer Lösung für alle Geschädigten. Also um Solidarität.

Schwarzmanns wünschen sich immer noch, dass endlich jemand die Verantwortung für ihr Leid übernehme. Verstehen Sie das?
Es ist natürlich, dass man nach dem Hauptschuldigen sucht. Die Eternit und ihr ehemaliger Eigentümer Stephan Schmidheiny stehen diesbezüglich immer wieder im Fokus. Ich muss aber sagen, dass nicht nur sie eine Rolle gespielt haben. In den Werkstätten der SBB in Chur gab es mehr Tote als bei der Eternit in Niederurnen. Und 17 Prozent aller Toten stammen aus der Metall- und Maschinenindustrie, wo etwa Turbinenbauer mit Asbestprodukten gearbeitet haben. Auch die Behörden und die Suva hätten früher und härter eingreifen können und tragen so eine gewisse Mitverantwortung. Letztlich hat die gesamte Wirtschaft jahrzehntelang vom Asbest profitiert, auch die Banken. Deshalb soll auch die gesamte Wirtschaft für den Schaden zahlen.

Endlich gibt es einen Fonds, aus dem Asbestkranke Entschädigung beantragen können, ohne vor Gericht gehen zu müssen. Gespeist wird er von Firmen, die Sie überzeugen konnten zu zahlen. 30 Millionen Franken sind zusammengekommen, 70 fehlen noch. Warum?
Tatsächlich vertritt ein Teil der Firmen und Branchen den Standpunkt, dass sie nur wenig betroffen seien und deshalb nicht bezahlen müssten. Man schiebt sich gegenseitig die Verantwortung zu. Aber Hauptsache, es gibt diesen Fonds endlich. Das ist ein Durchbruch!

Endlich Hilfe

Jetzt werden Asbestkranke nicht mehr alleine gelassen: Der Entschädigungsfonds für Asbestopfer (EFA) bietet ihnen ab sofort finanzielle Unterstützung. Betroffene und Angehörige sind aufgerufen, sich unter www.stiftung-efa.ch oder 041 418 89 79 zu melden.

In Italien musste sich Stephan Schmidheiny wegen fahrlässiger und vorsätzlicher Tötung vor Gericht verantworten. Nicht so in der Schweiz. Weshalb nicht?
Viele Fälle wurden erst ab den 1990er Jahren bekannt, weil es bis zu 40 Jahre dauern kann, bis eine Asbestkrankheit ausbricht. Die Verjährungsfrist beträgt aber in der Schweiz nur 10 Jahre. Das bedeutet, dass viele dann, wenn sie die Krankheit bemerken, gar nicht mehr gegen die Verantwortlichen klagen können. Das ist ein Problem.

Warum hat sich daran bis heute nichts geändert?
Ein wichtiger Grund ist natürlich, dass sich die Wirtschaft immer gegen eine Verlängerung der Verjährungsfrist gesperrt hat. Wichtig ist deshalb das Urteil, das der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte 2014 gefällt hat. Es ging um einen ABB-Mitarbeiter. Seine Frau klagte gegen die kurze Verjährungsfrist in der Schweiz und bekam recht. Jetzt muss das Parlament handeln. Am 30. August trifft sich die Nationalratskommission zu diesem Thema. Ich hoffe, dass dann ein Schritt nach vorne gemacht werde.

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