Abstand halten. Hände waschen. Die wichtigsten Regeln haben wir intus. Soll man jetzt auch Masken tragen? work erklärt, was man über ihren Nutzen weiss – und was nicht. Und wann die Maske auf jeden Fall eine gute Idee ist.
BLAU, ABER KEIN WUNDER:
Die Schutzwirkung der Hygienemaske ist beschränkt. (Foto: Getty)
Bleiben Sie zu Hause! Das war gestern. Die schockgefrorene Wirtschaft und die im Home sweet Home eingekerkerte Gesellschaft bewegen sich wieder Richtung Normalität. Kommt zur Arbeit! Zurück in die Schule! Geht shoppen – die Läden brauchen jetzt eure Batzen! So lauten die neuen Direktiven. Und werden brav befolgt. Auf den Strassen wachsen die Autokolonnen, die Pendlerströme schwellen an, im Gartencenter ellbögelt die Kundschaft um die schönste Hortensie, und in verwaiste oder halbleere Büros und Produktionshallen ziehen wieder mehr Arbeitskräfte ein. Nur werden die Räume nicht grösser. Weshalb es schwieriger wird, Abstand zu wahren. Am Arbeitsplatz, in Zug, Bahn oder Bus, im Einkaufsladen. Was tun, wenn der Rüpel von Mitmensch mir keine zwei Meter Distanz gewährt und kein Fluchtweg offensteht? Das Bundesamt für Gesundheit (BAG), unser aller Corona-Vatikan, empfiehlt: «Maske tragen, wenn Abstandhalten nicht möglich ist.»
Nun wissen wir, dass das BAG seit Ausbruch der Corona-Pandemie in der Maskenfrage herumeiert. Im Pandemieplan von 2018 ist über Hygienemasken noch zu lesen: «Die Masken können einerseits bei bereits Infizierten die Ausbreitung der Keime durch Tröpfcheninfektion reduzieren, andererseits gesunde Personen bis zu einem gewissen Grad vor einer Ansteckung schützen. Dadurch reduziert sich das allgemeine Infektionsrisiko.» Dagegen fährt das BAG heute eine andere Linie: «Nach wie vor gibt es keine gesicherte Evidenz, dass das Maskentragen in der Öffentlichkeit wirklich einen grösseren Schutzfaktor darstellt» (Daniel Koch vom BAG, Radio SRF 1 am 31. März). Gleichentags liess Marcel Salathé, Epidemiologe an der ETH Lausanne und eine Art Gegenpapst zum offiziellen BAG-Vatikansvorsteher Koch, die NZZ wissen: «Dass Masken die Übertragung des Virus bremsen können, ist aus wissenschaftlicher Sicht eigentlich klar.»
Vor dem Anziehen der Maske immer Hände gründlich waschen.
EIN GEWISSER SCHUTZ …
Jedoch ist die Unsicherheit in der Maskenfrage kein schweizerisches Phänomen – sie ist global. Die Wissenschaft ist schlicht nicht in der Lage, eine gesicherte, unbestrittene Aussage zu machen, in welchem Umfang eine Maske wirklich schütze. Als gesichert kann aber gelten:
- Masken bieten mit hoher Wahrscheinlichkeit einen gewissen, aber sicher keinen vollständigen Schutz, vor allem nicht gegen die Übertragung der Viren via Aerosole (siehe Text unten «Ein blinder Passagier»).
- Die aktive Schutzwirkung einer Maske ist höher als die passive. Das heisst: Tragen Erkrankte oder Personen, die den Virus ohne zu wissen in sich haben, eine Maske, verhindert die Schutzmaske recht gut, dass sie Gesunde anstecken. Im umgekehrten Fall – die maskentragende Person möchte sich gegen Personen schützen, die unmaskiert in der Gegend herumhusten – ist die Wirkung weniger sicher.
- Die Maske muss korrekt verwendet werden. Wird sie mit ungewaschenen Händen übers Gesicht gezogen, kann sie bereits Viren aufgenommen haben. Auch das Herumschieben im Gesicht, Zwischenlagern in der Manteltasche und andere Manipulationen können für Verunreinigungen sorgen. Wie man Schutzmasken korrekt überzieht und entsorgt, macht das BAG in einem Video vor: rebrand.ly/maskenhandling.
… ABER KEINE GARANTIE
Es verhält sich mit der Schutzmaske also wie mit dem Händewaschen und Abstandhalten: Eine Garantie gegen Ansteckung bietet sie nicht, aber sie reduziert die Wahrscheinlichkeit nochmals – wenn sie nicht als Ersatz für die anderen Massnahmen verwendet wird, sondern als Ergänzung. In diesen Fällen ist Maskentragen angebracht:
- Wenn Sie müssen. Je nach Arbeitsplatz ist Ihnen das Tragen von Schutzmasken vorgeschrieben. Dann muss Ihnen die Firma die Masken in guter Qualität und ausreichender Menge zur Verfügung stellen.
- Wenn Sie den Abstand nicht kontrollieren können. Mit solchen Situationen müssen Sie zum Beispiel
im öffentlichen Verkehr rechnen, aber auch in stark frequentierten Fussgängerzonen, in Einkaufsläden, auf Rolltreppen oder im Lift.
- Wenn Sie als Patient oder Kundin anderen Menschen nahe kommen. Respektieren Sie solidarisch das Schutzbedürfnis von Arbeitenden im Gesundheitswesen, im Coiffeursalon und bei anderen Gelegenheiten, wo kein genügender Abstand zum Personal möglich ist.
- Wenn Sie selber krank sind. Bleiben Sie so weit möglich zu Hause. Müssen Sie aber nach draussen – zum Beispiel für den Ärztinnenbesuch –, ziehen Sie die Schutzmaske über.
FFP 2-Masken bieten den besseren Eigenschutz, sind aber teuer.
MASKEN BESCHAFFEN
Schutzmaske ist nicht gleich Schutzmaske: Die chirurgische Hygienemaske ist im Detail- und Onlinehandel für Preise ab rund 80 Rappen pro Stück erhältlich, bietet aber nur einen geringen Eigenschutz. Sie ist zur einmaligen Verwendung bestimmt. Masken aus waschbaren Baumwollstoffen sind zu Preisen ab rund 10 Franken erhältlich oder können selbst genäht werden (Anleitungen in grosser Zahl sind online zu finden). Sie sind etwa gleich wirksam wie die chirurgischen Hygienemasken, lassen sich jedoch nach einer Wäsche bei 60 Grad wiederverwenden. Atemschutzmasken mit einem Eigenschutzfaktor von 95 Prozent gegen Viren (FFP 2 oder KN 95) kosten 5 bis 10 Franken pro Stück, sind aber nur einmal verwendbar. Sie sind vor allem für Personen mit erhöhtem Risiko empfohlen.
Kein Firmenzwang zur Tracing-App
Der Bundesrat möchte, dass sich die Schweizer Bevölkerung die Corona-Tracing-App aufs Smartphone lädt. Diese erlaubt die Rückverfolgung der Aufenthaltsorte und Kontakte einer Person und soll damit im Falle einer Infektion die Rückverfolgung der Ansteckung ermöglichen. Das ist in Bezug auf den Datenschutz und den Eingriff in Grundrechte ein heikles Unterfangen. Vergangene Woche hat das Parlament beschlossen, dass der Bundesrat vor der Lancierung eine gesetzliche Grundlage schaffen müsse – auch wenn die App nicht für obligatorisch erklärt werden soll. Die grossflächige Einführung wird sich damit bis in den Sommer verzögern. Vorerst soll nur eine «Testphase» im kleinen Rahmen laufen. Sicher ist: Mitarbeitende können von ihrer Firma auf keinen Fall gezwungen werden, die freiwillige App einzusetzen. Regula Dick vom Unia-Rechtsdienst: «Eine vertragliche Verpflichtung, sich durch eine Tracing-App überwachen zu lassen, wäre ein schwerer Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmenden und daher nicht zulässig.»
Corona Ein blinder Passagier
Überfall! Wer im Mittelalter mit Ross und Wagen von Bern nach Zürich reiste, geriet womöglich in einen Hinterhalt, sah sich seiner Habe beraubt oder bezahlte die Reise gar mit dem Leben. Wer heute bequem und schnell die gleiche Fahrt mit der Bahn unternimmt, muss sich vor Räubern unterwegs kaum fürchten. Dafür liegt die Gefahr in der Luft: Sars-Covid-19.
FEINSTE TRÖPFCHEN. Der fiese Virus sitzt mit im Zugabteil, transportiert von einer unbekannten Anzahl Virenträgern unter den Passagieren. Oder im Büro. Oder im Laden. Wo auch immer: Es lauert auf jede Gelegenheit, eine neue Wirtin zu finden. Es dockt an die grossen und feinen Tröpfchen aus der feuchten Atemluft an, welche die Virenträger ausstossen – beim Niesen, beim Husten, beim Sprechen. Die Tropfen sind unterschiedlich gross. Je grösser, desto schneller sinken sie zu Boden, auf Tische, Geräte und Arbeitsflächen in der Nähe. Feinste Tröpfchen hingegen, Aerosole genannt, können recht lange in der Luft schweben oder von Zugluft und Wind transportiert werden.
TÜCKISCH. Berühmtes Beispiel für die Effizienz dieser Aerosole ist das Grossraumbüro eines südkoreanischen Callcenters, wo sich der Virus, von einem Mitarbeiter eingeschleppt, der trotz Symptomen zur Arbeit erschien, über die Raumklimatisierung auf 94 seiner 215 Kolleginnen und Kollegen auf der gleichen Etage übertrug.
Gegen den Virus gibt es zurzeit keine Impfung und gegen die schlimmsten Verläufe der Krankheit keine garantiert wirksamen Medikamente. Es ist zudem tückisch: Auch wer keine oder nur schwache Symptome bemerkt und diese gar nicht als Covid-19-Erkrankung wahrnimmt, kann vom Virus befallen sein und ihn weiterverbreiten.