David Gallusser ist Ökonom und Unia-Mitglied.
Für Arbeitnehmende aus der EU galten bis zur Einführung der Personenfreizügigkeit im Jahr 2004 Kontingente und Höchstzahlen. Auf dem Papier wollte man mit den Kontingenten die Migration steuern. In Tat und Wahrheit ging es aber darum, die Rechte der ausländischen Beschäftigten zu beschneiden und ihre Löhne zu drücken. Der Bundesrat setzte die Kontingente massgeblich so fest, dass die Arbeitgeberverbände die Arbeitskräfte erhielten, die sie sich wünschten. Kriegten einzelne Arbeitgeber nicht genug, beschäftigten sie die Ausländerinnen und Ausländer oftmals schwarz. Zu befürchten hatten sie wenig, die Behörden schauten weg.
(Quelle: Sheldon (2007); eigene Berechnung mit Zahlen von BFS, SECO und SEM.)
AUSGELIEFERT. Die Beschäftigten, die als Saisonniers oder Jahresaufenthalter im Rahmen der Kontingente in der Schweiz arbeiteten, waren den Bedingungen der Arbeitgeber praktisch ausgeliefert. Ihre Aufenthaltsbewilligung war an den Arbeitsvertrag gebunden. Saisonniers durften nicht einmal die Stelle wechseln. Kündigte der Arbeitgeber, verloren sie ihr Recht, in der Schweiz zu leben. Wie gnadenlos das alte Kontingentsystem war, zeigt ein Blick auf vergangene Wirtschaftskrisen in der Schweiz (siehe Grafik). In der Erdölpreiskrise von 1974 bis 1976 verloren über 200’000 Saisonniers und weitere «Nichtansässige» ihre Stelle. Sie mussten in ihre Herkunftsländer zurückkehren, obwohl sie zuvor massgeblich daran beteiligt waren, den steigenden Wohlstand in der Schweiz zu erarbeiten. Die Schweiz hat dadurch die Arbeitslosigkeit richtiggehend exportiert.
WENDE. Bis in die 1990er Jahre konnten sich immer mehr Ausländerinnen und Ausländer niederlassen oder einbürgern. So war es nach dem Platzen der Immobilienblase 1991 nicht mehr im gleichen Ausmass möglich, Arbeitslose aus dem Land zu verweisen. Die Zahl der im Inland registrierten Arbeitslosen nahm entsprechend stark zu. Doch auch in der Krise von 1991 bis 1994 wurde kräftig «exportiert»: Rund 70’000 Migrantinnen und Migranten verloren ihr Aufenthaltsrecht. Erst die Personenfreizügigkeit brachte die Wende. Arbeitslose mit einer Aufenthaltsbewilligung B müssen heute die Schweiz nicht mehr unmittelbar verlassen. Der Stellenabbau in der Finanzkrise 2008 bis 2010 widerspiegelte sich deshalb vor allem in höheren Arbeitslosenzahlen in der Schweiz.