Stur wie eine Eselin
Die Wahrheit ist ja bekanntlich ein stark umworbenes, kostbares Gut. Und sieht je nach Blickwinkel sehr unterschiedlich aus.
Als der Mauerbauer, Sexprahler und Brandstifter, dieses ungesteuerte Geschoss, im Januar 2017 abging, marschierten in den Strassen von Washington bereits Zehntausende Frauen gegen ihn. Weil er das Rad zurückdrehen will. Auch jetzt wieder benützen er und seine Republikaner die Coronakrise, um das Recht auf Abtreibung in 11 Bundesstaaten einzuschränken. Weil Abtreibungen «nichtessentielle medizinische Eingriffe» seien. Im Wissen, dass es für die Frauen später zu spät sein würde. Der Coronavirus hat die Un-
gleichheit zwischen Frau und Mann nicht nur in den USA vergrössert. Wie das work-Dossier zeigt (Seiten 10 – 11).
Ist im November endlich Ende Trump?
AMERIKA BRENNT. Pussyhat-Power, #MeToo-Bewegung und Frauenstreiks: Aus den Anti-Trump-Protesten wurde eine neue Frauenbewegung. Weltweit. Sie brachte am 14. Juni 2019 auch die Schweiz zum Beben. Jetzt, ein Jahr nach dem Frauenstreik, schaut work zurück und nach vorne. Und lässt auch die Berner Slam-Poetin Sandra Künzi nochmals hart und heftig rocken (Seite 20). Mit ihrer Kolumne «Künzi streikt» stimmte sie im work ab Januar 2019 auf den Tag der Tage ein.
Und wieder stehen die USA in Flammen: im lichterlohen Floyd-Protest. Der weisse Cop Derek Chauvin drückte dem gefesselten Schwarzen George Floyd sein Knie so lange gegen den Hals, bis er erstickte. Es geschah am helllichten Tag. Cornel West, einer der führenden afroamerikanischen Intellektuellen, nennt den Mord an Floyd einen «Lynchmord». Er zieht eine direkte Linie von den früheren Lynchpraktiken zur heutigen Polizeigewalt. Und wieder war am Anfang Trump. Er werde das Militär gegen die Demonstrierenden losschicken, verkündete er. Und hielt fürs Fotoshooting die Bibel in die Höhe. Der weisse, christliche Fundamentalist inszeniert sich als Sprachrohr Gottes. Es ist eine Kriegs-erklärung an alle Andersfarbigen und Andersdenkenden (Seite 9).
HOFFNUNG. 78 und immer noch kämpferisch: Jesse Jackson, der Bürgerrechtskämpfer der ersten Stunde, sieht zwar Fortschritte im Land, das «in seinen Grundfesten auf weisser Vorherrschaft basiert». Er, der einst neben dem sterbenden Martin Luther King stand, als dieser 1968 in Memphis, Tennessee, von Kugeln niedergestreckt wurde. Doch unter Trump neigten die USA dazu, sagt Jackson (im Interview mit der «Weltwoche»), die Uhr zurückzudrehen, die Ängste der Weissen neu zu beleben, weisse Rassisten und weisse Nationalisten zu ermutigen.»
Und gibt es Hoffnung? Ist endlich Ende Trump in Sicht? Jackson ist optimistisch. Und Spike Lee ebenfalls. Der schwarze US-Filmemacher setzt grösste Erwartungen in den kommenden November. Dann steht Trump zur Wiederwahl. Und seine Umfragewerte sinken derzeit.