50 Jahre Frauenfussball: «Meitli tschutted nid!»

Noch vor 50 Jahren war Frauen­fussball in der Schweiz verboten. Der Sport sei zu roh für Frauen. Jetzt erzählt das Museum des FC Zürich die Geschichte von Damenfussball bis Frauenstreik.

DIE NATI: Das Frauschaftsfoto vom November 1970. (Foto: Keystone / www.seit1968.ch)

Helen Barmettler hat’s in den 1960er Jahren x-mal gehört: «Meitli tschutted nid!» Das sagt die Nidwaldnerin im Videoportrait. «Da dachte ich immer: Wieso eigentlich nicht?» Und spielte trotzdem.

Zuerst nur an Grümpelturnieren. Denn der Schweizer Fussballverband verbot den Sport für Frauen. Offiziell aus medizinischen Gründen: Fussball sei zu roh und physisch nicht zumutbar für Frauen. Erst 1968 liess der Verband den ersten Frauenfussballverein zu. 1970, vor fünfzig Jahren, wurde die Schweizerische Damenfussball-Liga ins Leben gerufen.

Dieser Geschichte widmet jetzt das Museum des FC Zürich eine Ausstellung. Sie zeigt den zähen Kampf der Sportlerinnen für mehr Anerkennung. Und wie die Männer meinten, es besser zu wissen. Etwa an der ersten Sitzung für die Frauenliga. Ein Teilnehmer er­innert sich: «Einer war dann der ­Meinung, man müsste die Frauen besser schützen, wir müssten jemanden finden, der einen Metall-BH konstruiert. Wir diskutierten das dann ernsthaft, und es gab sogar eine Abstimmung.» Die Idee wurde verworfen.

«Als wir Schweizer Meister wurden, stellten die Männer uns das ­warme Wasser ab.»

EINFACH FUSSBALL SPIELEN

Es ist kein Zufall, dass der (organisierte) Frauenfussball in der Schweiz fast gleich alt ist wie das Frauenstimmrecht. Die 68er Bewegung machte vieles möglich. Die Ausstellung zeigt aber auch: Die meisten Frauschaften entstanden auf dem Land und in konservativen Regionen: in Nidwalden, im Wallis, im Aargau. Aus vielen Videoportaits wird auch klar: Die Frauen verstanden sich nicht als Revoluzzerinnen. Sie wollten einfach Fussball spielen. Allen Widerständen zum Trotz. Fussballerin Helen Barmettler: «1975, als wir mit Alpnach Schweizer Meister wurden, da waren die Männer im Verein neidisch. Im Herbst haben sie uns das Warmwasser abgestellt, wir mussten kalt duschen.»

LOHN: NULL FRANKEN

Ein anderer Teil der Ausstellung ist der Gegenwart gewidmet. Hier wird deutlich: Noch heute herrscht im Fussball Diskriminierung statt Fair Play. Während selbst ein durchschnittlicher Spieler in der höchsten Schweizer Liga eine sechsstellige Summe kassiert, beträgt der Lohn der meisten Spitzenspielerinnen: null Franken. Nur gerade die Spesen werden bezahlt. Vom Fussball leben kann auch 2020 noch keine Frau in der Schweiz.

Doch anders als vor 50 Jahren engagieren sich heute Spielerinnen auch politisch. Etwa Sarah Akanji, Captain des FC Winterthur und Zürcher SP-Kantonsrätin. Mit einer Onlinepetition forderte sie 2019 das Schweizer Fernsehen auf, alle Spiele der Frauen-WM zu zeigen. Und als Fans des FC Schaffhausen mit einem Transparent zu Gewalt gegen Frauen aufriefen, wehrte sich Akanji öffentlich und forderte eine Entschuldigung.

AUF ZUM STREIK!

Die Ausstellung zeigt auch Fotos der Frauschaft des Zürcher FC Wiedikon. Am Frauenstreik vom 14. Juni 2019 demonstrierte sie im Fussballdress und mit pinken Bällen. In der Zeitung zur Ausstellung schreibt Wiedikon-Spielerin Meret Böhni über Männer- und Frauenfussball: «11 Spieler*innen, gleich grosses Feld, 90 Minuten, Freude, Tränen. Bei den Männern gibt es einfach ein paar Milliarden mehr.»

Ausstellung: Eine eigene Liga. FCZ-Museum, Zürich, bis am 31. Dezember 2020. Öffnungszeiten: Mittwoch – Freitag, 10 bis 18.30 Uhr und Samstag, 10 bis 17 Uhr. seit1968.ch

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