Frauen haben ohnehin schon tiefere AHV-Renten als Männer. Wird das Frauenrentenalter auf 65 erhöht, schmälert dies ihre Renten noch mehr.
JEDER RAPPEN ZÄHLT: Den Frauen droht mit der neuen AHV-Reform ein krasser Renteneinschnitt. (Foto: iStock)
Die Renten der Frauen sind rund einen Drittel tiefer als jene der Männer. Die Hälfte aller Frauen, die 2018 mit 64 in Rente gingen, müssen mit weniger als 1754 Franken AHV-Rente pro Monat auskommen. Fast ein Drittel der Frauen hat auch keine Pensionskassenrente. Oder nur eine sehr tiefe. In typischen Frauenbranchen beträgt die PK-Rente oft nur zwischen 500 und 800 Franken pro Monat. Somit ist die Rentensituation vieler Frauen jetzt schon prekär. Immer mehr Frauen, aber auch Männer müssen im Alter Ergänzungsleistungen (EL) beziehen (siehe Grafik).
Deshalb warnt der Gewerkschaftsbund (SGB) vor einer Erhöhung des Frauenrentenalters auf 65. SGB-Chef Pierre-Yves Maillard: «Das ist nichts anderes als eine Rentensenkung.» Und legt jetzt neue Berechnungen vor, wie sich eine Anhebung des Frauenrentenalters konkret auswirken würde. Würde das Rentenalter auf 65 heraufgesetzt, wie dies in der Reform «AHV 21» des Bundesrats vorgesehen ist, gäbe es für die Betroffenen Einbussen. Mit der Reform hätten Frauen, die weiterhin mit 64 in Rente gehen, zwischen 40 und 100 Franken geringere AHV-Renten pro Monat. Gemessen an der Medianrente – also der mittleren Rente aller Versicherten – ergäbe sich eine Verschlechterung von 1200 Franken pro Jahr bis ans Lebensende.
(Quelle: BSV – Statistik der Ergänzungsleistungen zur AHV und IV)
«Jetzt braucht es Ausbau statt Abbau bei der Altersvorsorge!»
SCHMERZHAFT
Gabriela Medici, beim SGB verantwortlich für das AHV-Dossier, sagt: «Ein höheres Rentenalter bedeutet für die Frauen eine schmerzhafte Kürzung der Rente.» Und zwar auch für jene Frauen, die von den geplanten Abfederungsmassnahmen profitieren würden. Solche sind für die Übergangsgeneration vorgesehen, um das höhere Rentenalter zu kompensieren. Laut Medici erhielten diese Frauen gemäss dem Vorschlag des Bundesrats pro Monat bis zu 65 Franken weniger Rente. Einbussen müssten überdies auch Frauen hinnehmen, die heute schon aus finanziellen Gründen über das Pensionierungsalter hinaus bis 65 arbeiten. Es gäbe für sie Rentenkürzungen von fast 100 Franken pro Monat, wiederum gemessen an der Medianrente. Deshalb warnt Medici: «Eine AHV-Reform kann nur gelingen, wenn sie den Frauen deutliche Fortschritte bringt.»
Die Warnung des SGB wirkte. Nur wenige Tage später riss die Sozialkommission des Ständerats einen Stop. Statt die Rentenaltererhöhung sofort gutzuheissen, erteilte sie der Bundesverwaltung den Auftrag, weitere Berechnungen anzustellen. Somit wird vor dem nächsten Frühjahr in Sachen AHV-Reform nichts passieren. Die in der NZZ gross angekündigte bürgerliche Allianz, die schnell-schnell eine Reform auf dem Buckel der Frauen durchziehen will, erweist sich als Wunschdenken.
AUSBAU STATT ABBAU
In der AHV-Reform stehen die Zeichen nach wie vor auf Abbau. Weil sich zusätzlich die Pensionskassenrenten seit Jahren im Sturzflug befinden, braut sich langsam eine sozial explosive Mischung zusammen. Daher sagt SGB-Chef Maillard: «Die Altersvorsorge steht am Scheideweg.» Statt Abbau sei nun ein Ausbau gefordert, statt Rezession Prosperität. Bereits sind 60’000 Unterschriften zur Volksinitiative für eine 13. AHV-Rente gesammelt, die der SGB lanciert hat.
Mehr Geld für die AHV sieht Maillard insbesondere bei der Nationalbank, die mittlerweile auf einem Riesenvermögen von 850 Milliarden Franken sitzt. Dieses Geld sei dem Bund und den Kantonen geschuldet und reiche aus, um eine Schwächung der AHV-Renten zu vermeiden. Maillard: «Es ist respektlos, wenn die Nationalbank übervolle Reserven hat und gleichzeitig die Frauen mit tiefen Renten noch mehr unter Druck gesetzt werden.»