Zehntausende Jobs hat die falsche Geldpolitik der Nationalbank bisher gekostet. Und Wirtschaftsminister Schneider-Ammann schaut zu. Jetzt trifft es seine Familienfirma
Plattgewalzt: 2010 liess sich der frisch gewählte Bundesrat Schneider-Ammann von der Belegschaft feiern. Diese Zeiten sind vorbei. (Foto: Keystone)
Als er Bundespräsident wurde, fragte ihn jemand nach seinen drei politischen Prioritäten. «Jobs, Jobs, Jobs», antwortete Johann Schneider-Ammann. Jetzt baut sein Familienkonzern Ammann Group in Langenthal BE 130 Jobs in der Schweiz ab. Ein Kahlschlag. Sohn Hans-Christian Schneider, der die Ammann Group offiziell führt, «in sechster Generation», wie der Wirtschaftsminister stolz sagt, lagert die Arbeit nach Deutschland, Italien, Indien und China aus. Noch Anfang Mai mahnte Vater Schneider- Ammann 600 Touristikmanager in St. Gallen, sie sollten sich etwas einfallen lassen, dem starken Franken «mit Unternehmergeist» begegnen. Drei Wochen später begründet die Familie Schneider die Zerstörung eines Drittels ihrer Jobs in der Schweiz auch mit dem «starken Franken». Mangelt es Schneiders an Unternehmergeist? Sie könnten sich ein Beispiel an der Swatch nehmen. Sie hat dem Franken bisher getrotzt. Immerhin sitzt dort die Tochter von Schneider-Ammann, Daniela Aeschlimann, im Verwaltungsrat.
MIT DER WALZE
Seit 29 Monaten weigert sich der Schneider-Hannes, wie sie ihn zu Hause in Langenthal nennen, als Wirtschaftsminister standhaft, etwas gegen den spekulativ aufgeblähten Franken zu tun. Obschon er als selbsternannter «Mister Werkplatz» und Ex- Präsident des grössten Industrieverbandes, Swissmem, genau weiss: Mit ihrer Geldpolitik schadet die Nationalbank der Schweizer Volkswirtschaft massiv. Mindestens 70 000 Jobs haben die Banker schon vernichtet. Und das Massaker geht weiter. Nach seiner Wahl in den Bundesrat im November 2010 war Schneider-Ammann auf einer Kompakt-Asphaltwalze AMM aus eigener Produktion durchs Firmengelände paradiert und hatte Bratwürste ausgegeben. Nach der aktuellen massiven Stellenvernichtung wird der Baumaschinenkonzern (900 Millionen Franken Umsatz) in der Schweiz noch etwa 270 Angestellte haben, davon gerade noch 40 in der Produktion. Im Ausland aber beschäftigt Ammann über 3400 Arbeitende. Nicht gerade brillant für eine Familie, der die Berner Steuerverwaltung einen so billigen Steuerdeal anbot, dass der Provinzclan sein vielhundertfaches Millionenvermögen aus Steuerparadiesen in die Schweiz zurückholen konnte.
WARUM TUT ER DAS?
Die Gewerkschaft Unia sieht denn auch die Firma des Wirtschaftsministers «in einer besonderen Verantwortung für den Werkplatz Schweiz und seine Mitarbeitenden». Der Industrie-Zentralsekretär Manuel Wyss verlangt eine sozialpartnerschaftliche Lösung, die Vermeidung von Kündigungen sowie Frühpensionierungen und Weiterbildungsmassnahmen. Ammann hatte schon im Herbst 2016 vierzig Arbeitende entlassen. Der damalige Sozialplan war allerdings eher dürftig gewesen. Bleibt die Frage, warum ein Wirtschaftsminister nichts gegen einen überteuerten Franken tut, wenn dieser Franken die Volkswirtschaft und seine eigenen Interessen beschädigt. Eine falsche Frage. Sie geht von der irrigen Annahme aus, der FDP-Bundesrat vertrete die Interessen der Arbeitenden und der gesamten Bevölkerung. Das ist naiv. Für ein Unternehmen wie Ammann und seine Besitzenden ist es durchaus rentabel, im Ausland zu produzieren. Und nebenbei noch alle Vorteile zu kassieren, welche die Schweiz bietet. Zum Beispiel tiefste Unternehmenssteuern. Beste Infrastrukturen. Wirtschaftsförderung. Die Arbeit der ETH und anderer Forschungseinrichtungen. Hochqualifizierte Ingenieure. Und einiges mehr.
SOLANGE DER PROFIT STIMMT
Der Wirtschaftsminister ist trotz Oberaargauer Zungenschlag und Helvetia-Folklore ganz ein Mann der Konzerne. Er war gegen verstärkte flankierende Massnahmen gegen Lohndumping und zeigt bei Massenentlassungen (etwa bei Alstom) Verständnis. Er will das Schweizer Arbeitsgesetz noch weiter aufweichen, obschon es bereits heute nicht völkerrechtskonform ist. Er ist ein Turbolädeler, der Verkäuferinnen und Verkäufer rund um die Uhr arbeiten lassen will. Er verweigert jede Industriepolitik, die mit Cleantech und mit Digitalisierung viele neue Jobs schaffen könnte. Leidet und klagt er öffentlich über den starken Franken, ist das geschenkt: Er wird weiterhin keinen Druck auf die Nationalbank machen. Solange der Profit stimmt.
Werkplatz: Unia und Arbeitgeber spannen zusammen
In der Schweiz droht die Deindustrialisierung. Das zeigt der Fall der Ammann Group. Und das sieht nicht nur die Gewerkschaft Unia so, sondern auch der Arbeitgeberverband Swissmechanic. Dieser vertritt in erster Linie kleine und mittlere Unternehmen aus der Maschinen-, Elektro- und Metallbranche. Und ortet viele Probleme am gleichen Ort wie die Gewerkschaft.
DRINGEND. Der Frankenschock habe die Rahmenbedingungen für viele KMU erschwert, heisst es in einem gemeinsamen Pressecommuniqué. Oliver Müller, der Direktor von Swissmechanic, präzisiert: «Die Politik nimmt die Probleme der Schweizer KMU-Industrie nicht wahr. Dabei brauchte es dringend eine Diskussion über die Zukunft des Werkplatzes.»
Um für diese Diskussion die Basis zu legen, haben die Unia und Swissmechanic gemeinsam eine Studie in Auftrag gegeben über die Probleme der KMU in der Schweizer Industrie. Die Resultate sollen im September 2017 der Öffentlichkeit präsentiert werden. (cs)