Basler Plattenleger stehen auf und schlagen Alarm:
Früh­pensionierung steht auf dem Spiel

Das Gewerbe der Platten­leger boomt – sogar in Coronazeiten. Trotzdem will der Basler Branchen­verband die Löhne ­drücken und die Früh­pensionierung kübeln. Mit haarsträubenden Begründungen.

SIE SIND BEREIT! Die Basler Plattenleger protestieren gegen den Arbeitgeberverband, der mitten in der Coronakrise aus dem Gesamtarbeitsvertrag ausgestiegen ist. (Foto: Unia)

Meist herrscht tote Hose auf dem Basler Pyramidenplatz. Eine Ausnahme gab’s am 12. November: Unia-Fahnen flatterten, Musik dröhnte aus Boxen, und um 12 Uhr mittags trafen gut 60 Plattenleger ein. Sofort machte sich eine freundschaftliche Stimmung breit. Schliesslich kennt man sich in der Branche. Und die Kollegen hatten alle ein Ziel: dem hier ansässigen Plattenverband beider Basel einmal gehörig die Meinung zu geigen.

Warum, erklärt Plattenleger Arthur Scherrer * (40): «Was sich die Chefs herausnehmen, zeigt ihre extrem arrogante Haltung.» Tatsächlich ist der Arbeitgeberverband mitten in der ­Coronakrise aus dem Gesamtarbeitsvertrag (GAV) für das Ausbaugewerbe ausgestiegen. Dies, obwohl das Keramikgeschäft boomt und Fachpersonal immer rarer wird. Und obwohl die Plattenleger seit Corona unter schwierigen Umständen durchgearbeitet haben. Statt einer Anerkennung nun also die GAV-Kündigung. Damit droht ausgerechnet in der Hochpreisinsel Basel und ausgerechnet einer körperlich ­extrem belasteten Berufsgruppe eine Reihe von Verschlechterungen. Und die Zerstörung einer einmaligen historischen Errungenschaft.

«Was sich die Chefs herausnehmen, zeigt ihre arrogante Haltung.»

BILLIGKONKURRENZ?

Die Basler Plattenleger können nämlich auf eine stolze Geschichte zurückblicken. Wegen ihres starken gewerkschaftlichen Zusammenhalts setzten sie schon vor langer Zeit einen regionalen GAV durch. Und zwar einen, der wesentlich besser war als der gesamtschweizerische GAV für das Plattenlegergewerbe. Heute gibt’s den regionalen Plattenleger-GAV zwar nicht mehr, doch seit 2014 sind die rund 240 Plattenleger beider Basel dem regionalen GAV für das Ausbaugewerbe unterstellt. Und profitieren so immer noch von ihren Errungenschaften: Ihre Mindestlöhne liegen bis zu 540 Franken über jenen des nationalen Plattenleger-GAV. Zudem haben die Basler Anrecht auf eine bezahlte Znünipause und können mit 62 Jahren in die verdiente Frühpension.

Dem will der Basler Plattenlegerverband nun auf März 2021 ein Ende setzen – und zwar präventiv. So sagt Verbandspräsidentin Daniela Bernardi zu work: «Momentan haben wir sehr viel Arbeit, aber wenn sich das ändert, kommen wir unter Druck.» Bernardi meint damit die ausserkantonale und ausländische Konkurrenz, die mit Billigangeboten nach Basel dränge. Ein Scheinargument sei das, sagt dagegen Unia-Mann Lucien Robischon, denn: «Auch ausserregionale Firmen sind verpflichtet, sich an die hier geltenden Mindestlöhne zu halten. Tun sie das nicht, hat das hohe Konventionalstrafen zur Folge.» Auch das Argument von nicht funktionierenden Lohnkontrollen zerpflückt ­Robischon: «Wir haben den Arbeit­gebern einen gemeinsamen Beschluss für intensivierte Kontrollen vorgeschlagen. Davon wollten sie aber nichts wissen.»

BRUTALE BEDINGUGEN

Den Firmen scheint es also ums Prinzip zu gehen, sprich um den Profit. Einer, der sich das nicht gefallen lassen will, ist Robert Blaurock (54). Er sagt: «Was heute auf den Baustellen abläuft, ist nicht mehr normal. Der Zeitdruck ist explodiert.» Blaurock weiss, wovon er spricht, denn er steht schon seit seinem fünfzehnten Lebensjahr im Beruf, ist aktives Unia-Mitglied und Präsident der Basler Plattenleger.

Gleich sieht es Arthur Scherrer der gerade einen Hexenschuss auskuriert hat. Er sagt: «Gemütlich war es auch früher nicht, aber heute ist es richtig brutal! In immer weniger Zeit müssen wir immer grössere Platten verschleppen.» Darunter litten Menschen genauso wie die Qualität der Arbeit. Und sogar der frisch Ausgelernte Thomas Gyger * (20) sagt: «Hätte ich damals gewusst, dass es so den Bach runtergeht, hätte ich eine andere Lehre gemacht.» Doch Jungarbeiter Gyger nimmt’s pragmatisch, jetzt gehe es um die Verteidigung der Arbeitsbedingungen. Und er sagt: «Kraftprobe gefällig? Wir sind bereit!»

* Namen geändert

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