Der Bundesrat schickt den von den Sozialpartnern ausgehandelten Kompromiss auf den parlamentarischen Weg. Weil die Vernehmlassung ausser rechtem Täubelen nichts gebracht hat.
RUHESTAND OHNE GELDSORGEN: Der BVG-Kompromiss der Sozialpartner sollte die Rentensenkungen stoppen. (Foto: Getty / iStock / Montage: work)
Die Ausgangslage: Das Pensionskassensystem ist seit Jahren in der Krise. Für immer höhere Beiträge erhalten wir immer weniger Rente. In den letzten 15 Jahren sanken die BVG-Renten real um fast 9 Prozent. Ursache dafür ist das System: Denn die zweite Säule basiert darauf, mit dem Geld von uns Versicherten im internationalen Finanzcasino und auf dem Immobilienmarkt zu spekulieren. Das ist in erster Linie für Banken und Versicherungen ein lohnendes Geschäft. Milliarden fliessen an das Aktionariat statt an die Versicherten. Ganz anders bei der AHV: sie wird im solidarischen, stabilen und sicheren Umlageverfahren finanziert. Hier macht unser Geld keinen jahrzehntelangen teuren und riskanten Umweg über die Finanzmärkte.
Im aktuellen wirtschaftlichen Umfeld können die Versicherungen und Banken ihre einstigen goldenen Versprechen nicht mehr halten. Sie wollen deshalb aber nicht etwa ihre Profite senken, sondern die Leistungen kappen. Und die Kosten für die Lohnabhängigen und die Arbeitgeber weiter erhöhen. Dieses Ansinnen hat zwar in der lobbygesteuerten Parlamentsmehrheit Fürsprecherinnen und Fürsprecher. Doch im Volk ist das nicht mehrheitsfähig. Die Situation im BVG ist ebenso unbefriedigend wie verfahren. Darum holte der Bundesrat 2019 die Sozialpartner ins Boot. Gewerkschaften und Arbeitgeber erarbeiteten im Sommer des gleichen Jahres einen gemeinsamen Vorschlag zuhanden des Bundesrates. Der Durchbruch war eine kleine Sensation, wie SGB-Chef Pierre-Yves Maillard damals zu work sagte: «Mit dem Kompromiss müssen die heutigen Rentensenkungen gestoppt werden. Das ist das Wichtigste!» Davon nichts wissen wollte einzig der vom abgewählten Zürcher FDP-Nationalrat Hans-Rudolf Bigler geleitete Gewerbeverband.
Kompromiss verankert den Solidaritätsgedanken in der zweiten Säule.
DER KOMPROMISS: Der mit den Arbeitgebern erreichte Kompromiss ist zwar keine Gewerkschaftsvorlage, aber sie verbessert immerhin einiges für die Lohnabhängigen. Ein dauerhafter, solidarisch finanzierter Rentenzuschlag hilft, das heutige Rentenniveau zu halten, obwohl der Umwandlungssatz sofort von 6,8 auf 6 Prozent gesenkt wird. Der Rentenzuschlag wird mit einem Lohnbeitrag von je 0,25 Prozent der Arbeitnehmenden und der Arbeitgeber auf allen Löhnen bis rund 850 000 Franken finanziert. Hohe Löhne bezahlen somit deutlich mehr für den Rentenzuschlag. Die so zusammenkommende Summe wird pro Kopf an alle künftigen BVG-Rentnerinnen und -Rentner ausbezahlt. Das stärkt die Renten für Menschen mit tiefen Einkommen und für Teilzeitarbeitende, insbesondere auch für Frauen. Das verankert den Solidaritätsgedanken in der zweiten Säule und verbessert das Preis-Leistungs-Verhältnis des BVG.
Ausserdem schlagen die Sozialpartner vor, den sogenannten Koordinationsabzug zu halbieren. Damit trägt ein grösserer Lohnanteil zum Aufbau der BVG-Rente bei. Das ist ebenfalls für Teilzeitarbeitende und für Menschen mit kleinen Einkommen wichtig. Also vor allem auch für die Frauen. Langfristig steigen ihre Renten.
WAS DANN GESCHAH: Der Bundesrat schickte die Sozialpartner-Vorschläge in die Vernehmlassung. Die dauerte bis zum 27. März. Bereits während der Vernehmlassungsfrist scherten einige Teilverbände der Arbeitgeber aus. Darunter die Banken, die Baumeister und die Detailhändler. Sie legten wie auch der Gewerbeverband eigene «Sanierungsmodelle» vor. Diese unterscheiden sich zwar in Nuancen, haben aber alle eines gemeinsam: Sie sind gegen die Interessen der unteren und mittleren Einkommen. Und sie wollen nichts an der Benachteiligung der Frauen im BVG ändern. Ähnlich lief es in der Vernehmlassung; die rechten Parteien von SVP bis GLP bliesen in unterschiedlichen Tönen ins gleiche Horn.
WAS JETZT GESCHIEHT: Weil der Bundesrat keine brauchbaren Ansätze der rechten Parteien und ausgescherten Arbeitgeberverbände sah, schickt er jetzt den Sozialpartner-Kompromiss in die parlamentarische Behandlung. Da werden sich die zuständigen Kommissionen von National- und Ständerat damit befassen und dann die Räte selbst.
Was bereits feststeht: Sollte die rechte Mehrheit im Parlament den Kompromiss auf dem Buckel der Lohnabhängigen verschlechtern, ist das Referendum so sicher wie das Amen in der Kirche.