Die nächsten Wochen und Monate werden zeigen, ob und was die politische Schweiz aus den Fehlern des letzten Sommers gelernt hat.
IM MEMORIAM: Ein Lichtermeer auf dem Bundesplatz in Bern im Dezember 2020. Zum Gedenken an die Corona-Toten und ihre Angehörigen. (Foto: Keystone)
Die Schweiz befindet sich weiterhin in einem Büsi-Lockdown. Die täglichen Fallzahlen sind zurückgegangen, die Positivitätsrate gesunken. Und trotzdem bleiben die Expertinnen und Experten besorgt. Denn der Anteil der mutierten Viren an den Ansteckungen steigt rasant. Und die Mutanten sind wesentlich ansteckender als die bisherige Covid-Variante. Passt die Schweiz nicht auf, droht ihr ein Szenario wie in Portugal. Dort lockerte die Regierung die Massnahmen vor Weihnachten massiv. Und lief im Januar in eine katastrophale dritte Welle. Das Gesundheitswesen ist zusammengebrochen. Das Land musste um internationale Hilfe bitten.
Wie schnell es gehen kann, hat die Schweiz im Herbst in Ansätzen erlebt. Wegen der Haurucköffnung, die die rechten Parteien und einige Wirtschaftsverbände erzwangen, lief die Schweiz in den Hammer der zweiten Welle, die uns immer noch in Atem hält.
LERNKURVE
Die Covid-Krise ist auch eine ökonomische Krise. Aber nicht für alle. Denn die Folgen des Gesundheitsschutzes verschärfen die Umverteilung von unten nach oben. Etwa von den Gewerblerinnen und Wirten zu den Immobilienkonzernen. Zum Beispiel von den Kurzarbeitenden zum Aktionariat. Viele Kulturschaffende und Kleinselbständige leiden. Zwar konnten die Linke im Bundeshaus und die Gewerkschaften im Laufe der Pandemie-Monate einige Verbesserungen erreichen. Doch wertvolle Zeit wurde vertan, weil die Corona-Lernkurve bei rechten Parteien und den Wirtschaftsverbänden wesentlich weniger steil ist als jene der Ansteckungszahlen. Aus ideologischen Gründen liessen sie ihre Mitglieder im Stich. Weil alles, was vom Staat kommt, für sie des Teufels ist. Selbst ein Rettungsring. Immerhin fordert unterdessen nur noch die SVP eine «sofortige Öffnung» der Beizen und Läden.
BUND VORSICHTIGER
Gelernt aus den Fehlern des Sommers hat der Bundesrat. Er führt wieder stärker. Dazugelernt haben auch viele Kantone. Sie setzen auf Massentests und haben den vertrödelten Aufbau der Impfinfrastruktur nachgeholt. Aber einige – auch grosse – sind immer noch am Flicken der Fehler des Sommers und Herbstes. Was nach den ersten beiden Wellen jedem vernünftigen Menschen klar sein müsste: Das Virus lässt sich nicht von ideologischen Traumtänzereien beeindrucken. Sondern nur von harten Massnahmen.